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Morgenrötes Krieger

Morgenrötes Krieger

Titel: Morgenrötes Krieger
Autoren: M.A. Foster
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zu schaffen. Aber da sie allein war, mußte sie, wie bei Fremden üblich, in der lokalen Presse annoncieren. Han fand diesen Brauch ziemlich merkwürdig und in gewisser Weise erniedrigend, doch Liszendir sah die Sache mit völlig anderen Augen. So war sie nun die meiste Zeit mit Reisen und Besuchen beschäftigt.
    Ein Ler-Sprichwort – eines von vielen in ihrer Kultur – la utete: Nichts ist schwerer, als einen Innenverwandten zufriedenzustellen! Kein Wunder: Sie waren die Bewa h rer und Erhalter der nichtgenetischen Familienlinie, des Weiterbestehens ihrer Webe, der Aufrechterhaltung ihrer gesellschaftlichen Struktur. Die innenverwandten Frauen wählten für ihre eigenen Innenverwandten außenve r wandte Partnerinnen, die Männer hingegen suchten wi e derum andere Partner, wobei sie geschickt Furcht und Eifersucht der Neulinge ausbalancierten und den Bedür f nissen der Webe-Gemeinschaft als Ganzem und denen der einzelnen Individuen anzupassen vermochten. Es war in der Tat eine schwere Aufgabe, zumal die Innenve r wandten untereinander nicht blutsverwandt waren, auch wenn sie wie Bruder und Schwester zusammen aufwuc h sen und starke Rivalitäten und Spannungen nicht ung e wöhnlich waren. Somit bedeutete die Zeit der Abspr a chen vor der Verwebung eine große Belastung für alle Parteien, so daß viele von ihnen gerade dann empfindlich und leicht erregbar wurden.
    Usteyin war über die Verwebungsbräuche der Ler bei weitem erstaunter und verwunderter als Han selbst. Sie meinte dazu: „Ich sehe keinen großen Unterschied zw i schen dem, was wir auf Morgenröte machten, und der Art, wie es die Menschen in zivilisierteren Gegenden praktizieren. Es gibt da eine gewisse Beziehung, eine Brücke, so fremdartig es auch zu Anfang ausgesehen h a ben mag. Liszendirs Volk jedoch ist noch einen Schritt weiter gegangen. Sie haben die Familie zu einer rein g e sellschaftlichen Sache gemacht: nicht teils sozial, teils biologisch. Dadurch hat sich für sie das Problem einer Trennung von Familie und Gesellschaft nie ergeben. Ich selbst? Bewahre! Ich wäre dazu außerstande – egal, wie gut es auch bei ihnen funktioniert. Ich könnte dich ni e mals mit anderen teilen.“
    Usteyin trank ihren Tee aus, erhob sich wortlos und anmutig von ihrem Stuhl und streckte sich wie eine ex o tische Edelkatze. „Nun, ich bin müde, ich brauche ein Schläfchen. Wollen wir nach Hause gehen?“
    „Gute Idee. Ich habe während unseres Gesprächs auf die Wellen gestarrt, und das hat mich auch ziemlich m ü de gemacht. Und zudem auch …“
    „Oh ja, natürlich! Auch ich habe große Lust dazu …“
    Sie zogen ihre Mäntel an, verließen das Teehaus und gingen durch die gewundenen, regennaß glänzenden Straßen zurück in ihr Hotel. Der Nachmittag neigte sich dem Ende zu, und die Luft war erfüllt von einem Duft, der für den kommenden Tag strahlendes Wetter verhieß. Die Straßenzüge waren fast menschenleer, die Geschäfte geschlossen, und langsam senkte sich die Ruhe des Abends über Plenkhander.
    Als sie die Stufen zu ihrem Zimmer erklommen ha t ten, das sie mit Liszendir teilten, wenn sie sich von Zeit zu Zeit in der Stadt aufhielt, waren sie überrascht, sie dort anzutreffen, zumal sie damit beschäftigt war, ihre wenigen Habseligkeiten zusammenzupacken. Sie sah müde und abgespannt aus, doch es war etwas in ihrem Gesicht, auf das sie alle die ganze Zeit gewartet hatten.
    Sie lächelte schwach und sagte: „Ihr müßt mir jetzt Glück wünschen.“
    „Somit hast du nun endlich eine Webe gefunden?“
    „Ja. Das Ganze ist sehr komisch. All die vergangenen Tage war ich in den Bergen und an einem Ort mit Namen Thursan, einem kleinen Fischerdorf. Kein Ort zum L e ben, und ich will auch keine Fischersfrau werden! Und als ich gerade jetzt zurückkomme, da liegt für mich ein Brief an der Rezeption. Stellt euch vor! Nach all diesen Mühen und Reisen – und ihr yos liegt direkt unten an der Küstenstraße, gleich hinter der Brücke. Wir haben schon unsere Absprachen getroffen.“
    Usteyin fragte: „Liszendir, wenn ihr euch verwebt, gibt es dann irgendeine Zeremonie, irgendeinen besond e ren Akt, der von jemandem vollzogen wird?“ Sie zögerte einen Moment, dann fügte sie hinzu: „Falls ich dich so etwas fragen darf.“
    „Es ist kein Geheimnis. Für die Innenverwandten gibt es so etwas Ähnliches zusammen mit der Elterngenerat i on, den älteren Innenverwandten – aber ich mag darüber nicht sprechen. Außerdem trifft es auf mich nicht zu.
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