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Morgen wirst Du frei sein (German Edition)

Morgen wirst Du frei sein (German Edition)

Titel: Morgen wirst Du frei sein (German Edition)
Autoren: Claudia Martini
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erreichen. Dort begann ein ausgedehntes Naturschutzgebiet. Als mein Großvater ein Kind gewesen war, stach man hier Torf, der getrocknet als Brennstoff diente.
    Seit Jahren schon gehörte das Moor Tieren und Vogelkundlern, die hofften, seltene Exemplare beim Brüten beobachten zu können. Sie verlegten Planken, um die sumpfige Landschaft zu erschließen, um imstande zu sein, tiefer einzudringen in diese fremde, gefährliche, reizvolle Welt. Zuletzt aber siegte immer das Sumpfland, verschlang unerbittlich alles, was ihm angeboten wurde.
    An diesem Ort würde meine Mutter ihr Grab finden.
     
    Ich kannte eine Stelle, an der man bei Trockenheit ein Fahrzeug sicher parken kann. Mein Vater hatte sie mir gezeigt. Dort hielt ich an, kurbelte das Fenster herunter und machte den Motor aus. Eine Weile blieb ich angespannt sitzen, spähte in die Finsternis, lauschte meinem Herzschlag und den Geräuschen der Nacht. Heute wirkten sie bedrohlich, lauter und intensiver als sonst.
    Ich atmete tief durch und verließ das Auto.
     
    Die Ornithologen verwendeten ein Boot mit flachem Boden, um ihre Instrumente, Zelte und Schlafsäcke durch die Kanäle zu ziehen. Es wurde nicht oft genutzt, meist lag es leck geschlagen halb versenkt im Schilf.
    Ich schaltete meine Taschenlampe ein und machte mich auf die Suche.
    Nach einigen Minuten hatte ich es gefunden. Erleichtert erkannte ich, dass der Kahn erst vor Kurzem mit Hanf und Teer geflickt worden war. Er wirkte einsatzbereit. Ich löste den Strick, mit dem er an einem Baum befestigt war, und zog ihn hinter mir her, bis der Kanal endete.
    Bis hierher würde ich die Leiche meiner Mutter bringen müssen.
     
    Zurück beim Auto öffnete ich die Schiebetüre, zog meine Handschuhe an, steckte das Messer in die Hosentasche, die Lampe schob ich in den Bund. Ich griff nach dem Seil, das ich um die Plane geschlungen und verknotet hatte. Zweimal kräftig daran gezogen, landete meine unförmige Fracht fast ohne ein Geräusch auf dem schwarzen Moorboden.
    Jetzt, wo ich meine Mutter als grünes Paket vor mir hatte, waren meine Skrupel verschwunden. Ich war vollkommen fokussiert auf meine Aufgabe.
    Ich hoffte, die als extra reißfest beschriebene Folie würde bis zum Boot halten. Weder Steine noch Wurzeln erschwerten mir die Arbeit zusätzlich; der Boden war mit feuchtem Moos, Farn und Gras bedeckt.
    Ich packte das Seil, schlang es zweimal um meine Handgelenke und stemmte die Stiefelabsätze in den leise schmatzenden Untergrund.
     
    An meinem Ziel angekommen, war ich schweißgebadet. Dennoch war es leichter und schneller gegangen, als ich angenommen hatte.
    Nun musste ich das Boot beladen. Ratlos stand ich davor. Es würde zweifellos kentern, wenn ich versuchte, mein Paket hineinzuzerren. Ich überlegte eine Weile, zog dann den Kahn längsseits, zerrte ihn in den Schlick und kippte ihn. Vorsichtig, Millimeter für Millimeter rollte ich die Plane mit dem Körper ins Innere. Das Holzboot richtete sich langsam auf.
    Es schwamm.
    Ich vertäute es sorgfältig und marschierte zum Transporter zurück, um die Holzlatte zu holen. Ich benötigte sie als Stake, aber auch, um die Wassertiefe auszuloten. Und um meine Mutter, sobald ich sie aus der Folie geschält hatte, unter Wasser zu drücken, bis das Moor sich ihrer bemächtigte. Ohne nachzuhelfen, das wusste ich aus Fernsehberichten, versinken Leichen nicht.
     
    Als der Morgen dämmerte, war ich wieder im Auto. Dreckig, nass, todmüde, erleichtert. Mein Plan hatte funktioniert. Der Schlick hatte meine Mutter bereitwillig aufgenommen und würde sie nicht mehr hergeben.
    Ich legte den Kopf auf das Lenkrad und schloss meine brennenden Augen. Minutenlang blieb ich so sitzen, nichts denkend, nichts fühlend. Dann startete ich den Motor.
     

3. Kapitel
     
    Nachdem ich den Wagen zurückgebracht hatte und nach Hause gefahren war, warf ich mich auf mein Bett und schlief tief und traumlos. Als ich erwachte, blinzelte ich in die Sonne, schaute mich verwirrt um.
    Ich lag, die Arme ausgebreitet, auf dem Bauch, die Bettdecke unter mir war zerwühlt. Jeans und Jacke trug ich noch. Einen Gummistiefel hatte ich an, der zweite fehlte.
     
    Die Erinnerung kam mit einem Adrenalinstoß. Meine Kopfhaut zog sich zusammen, die Haare im Nacken und an den Unterarmen richteten sich auf, mein Magen schien nach vorn zu kippen. Das Licht schmerzte in meinen Augen, blieb unangenehm selbst dann, als ich sie schloss und die Helligkeit einem gedämpften Rot wich. Ich lauschte dem Kopfschmerz,
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