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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will
Autoren: Claire Seeber
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Anerkennung von Seiten Mickeys. Nein, es war die Klimaanlage in der Oper: kühle Luft, die wenigstens ein paar Stunden lang meine dahinschmelzenden Gliedmaßen liebkoste.
    Mickey rollte sich auf meine Seite und murmelte etwas Unverständliches. Dann schlief er wieder ein. Ich hörte auf, an Madame Butterfly zu denken. (Mickey meinte natürlich, er hätte Wagner vorgezogen, doch seine hochkarätigen Kunden delektierten sich am Champagner, was letztlich das Einzige war, was wirklich zählte. Mir gefiel es. Ich weinte fast, als die Heldin ihr Leben für ihren Sohn hingab, obwohl ich darauf achtete, dass Mickey es nicht sah.) Dann fing ich an, mir grundlos Sorgen zu machen, wie man es in den frühen Morgenstunden eben so tut, wenn man nichts, aber auch gar nichts tun kann. Ich weiß noch, dass ich mich fragte, wieso ich überhaupt wach war, wo ich doch die einzigartige Chance hatte, einmal länger zu schlafen, und das machte mich noch nervöser. Und natürlich auch wacher. Dann fiel mir ein, dass wir ja in die Tate Gallery wollten, und ich machte mir Sorgen, wie Mickey wohl reagieren würde, wenn mir dies oder jenes Bild nicht gefiel, von dem er hellauf begeistert war. Ich dachte: Ich muss darauf achten, bloß keine dummen Fragen zu stellen. Aus irgendeinem Grund ging mir dann Gregs schreckliche Dinnerparty durch den Kopf, bei der Mickey auf mich so wütend geworden war. Ich hatte meinen Mann leichthin als »Briten« bezeichnet, und dabei unterschätzt, wie tief seine nordirischen Wurzeln reichten. In weniger als einer Sekunde war er auf hundertachtzig. Ich versuchte noch, die Bemerkung witzig erscheinen zu lassen, doch das machte alles nur schlimmer. Hoffnungsvoll sah ich zu Greg hinüber, ob er mir beispringen würde, was aber nicht geschah. Später allerdings warf mir meine Gastgeberin einen verständigen Blick über Kerzen und Coq au Vin hinweg zu. Sinnbildlich trat ich mir selbst ans Schienbein, und zwar gleich mehrfach, aber da war der Schaden schon angerichtet. Mickey weigerte sich auf der Heimfahrt, mit mir auch nur ein Wort zu reden, weil seine überzogene Reaktion ihn erst recht in ein komisches Licht gerückt hatte.
    Schließlich schaffte ich es, die demütigende Szene aus meinem Kopf zu verbannen, und ich lag nur da und hörte den Flugzeugen zu, stellte mir vor, wie all die winzigen Passagiere hoch oben über dem Erdboden schwebten, über einer Stadt, die aussah wie ein Spielzeug-London. Ob sie wohl traurig waren, dass sie schon bald wieder zu Hause sein würden? Das war es jedenfalls, was ich immer gefürchtet hatte: die Rückkehr. Bis ich Mickey kennen lernte. Und Louis kam …
    Ich glitt eben in das Reich zwischen Schlaf- und Wachzustand zurück, als Mickey sich an mich schmiegte und die Hände um meine Brüste legte, wunde, geschwollene Brüste voller Milch, blau geädert wie eine Landkarte. Ich wurde steif vor Anspannung. Es hatte sich alles so sehr verändert. Ich hielt den Atem an, seine andere Hand strich sanft über meine Hüfte. Ein Teil meiner selbst verzehrte sich danach, dass er weitermachte, der andere wollte ihm Einhalt gebieten. Ich fürchtete, dass er herausfinden würde, wie sehr ich mich in den letzten sechs Monaten verändert hatte. Träge öffnete Mickey die Augen und versenkte seinen Blick im Dämmerlicht des Schlafzimmers tief in meinen. Er sah immer noch schläfrig aus. Dann legte er die Hand an meine Wange und strich mir mit dem Daumen über die Lippen.
    »Alles klar, Großauge?«, flüsterte er. Scheu nickte ich. Da spürte ich wieder die Lust, die ich so oft unterdrückt hatte, seit Louis geboren war.
    »Gott, Jessica, du bist so süß«, stöhnte er und strich mir eine Locke hinters Ohr. Dann fasste er mit beiden Händen in mein Haar und raffte es im Nacken zusammen. Er zog mich an sich und küsste mich. Ich wollte gerade murmeln, dass ich mir die Zähne noch nicht geputzt hatte, doch bevor ich den Mund aufbekam, drängte er sich gegen mich und verschloss mir die Lippen mit seinem Mund. Er küsste mich begehrlicher, als er dies seit langer Zeit getan hatte, und endlich ließ ich mich gehen. Diese morgendliche Lust ging mir hinunter wie heiße Schokolade. Ich vergaß meine Ängste, meine Furcht, er könnte die Veränderungen an meinem Körper abstoßend finden. Ich spürte nur diese extreme Lust, die ich seit jeher auf ihn hatte. Ich löste mich in ihr auf und genoss es.
    Danach schlief er wieder ein. Schließlich sickerte das Licht durch die dicken Vorhänge, die ich so sehr
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