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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will
Autoren: Claire Seeber
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… Luftschloss.«
    »Mickey«, sagte ich abgekämpft und hielt mich an der Bank fest. »Das klingt ja noch viel schlimmer.«
    »Aber«, er sah mich inständig bittend an. Endlich war er wirklich mit seinem Latein am Ende. Schluss mit der üblichen Arroganz, dies war Mickey, nackt unter all dem Lack. »Ich muss dir das erklären. Ich finde … finde es so schrecklich, Jessica. Ich bin schuldig. Das bin ich. Ich sehe das jetzt ein.«
    »Ach, was du nicht sagst. Lieber Gott, Mickey!«
    »Ich meine ja nur … ich versuche, dir zu sagen: Ich habe mich getäuscht. Ich habe die ganze Zeit über versucht, deine Liebe zu Louis herunterzuspielen, um Agnes willen, nehme ich mal an.«
    »Mickey, ich möchte wirklich nicht hier herumsitzen und mir Erinnerungen an die Kopfkissengespräche zwischen dir und Agnes anhören, okay?«
    »Aber so war es doch gar nicht. Ich schwöre es dir. Es war …« Er sah mich an mit seinen funkelnden Augen und den vollkommen blutleeren Lippen. Erst da wurde mir klar, dass er um Mitgefühl bettelte. »Sie brach innerlich zusammen. Ich wusste einfach nicht, was ich sonst hätte tun können. Sie hatte alle Hoffnung verloren und … ich hatte Angst, sie würde etwas Dummes tun.«
    »Wie etwa eine Kindesentführung?« Ich funkelte ihn wütend an.
    »Wie sich umzubringen.« Der endgültige Klang dieser Worte schockte uns beide. Mein Gott, er sah ja so traurig aus. Ich dachte an Agnes und ihre Pistole, die Geschmeidigkeit und Schönheit ihrer letzten Bewegungen. Die Befreiung. Ein Geschenk für Mickey. Sie konnte ihm kein Kind gebären, aber ihren ewigen Schutz, den ließ sie ihm angedeihen. Ihr Schweigen. Mit Mühe schob ich diese schrecklichen letzten Momente weg.
    »Also?«
    »Ich weiß nicht genau. Irgendwie führte eines zum anderen. Unser Plan war es, irgendwo ins Ausland zu gehen. Vielleicht nach Amerika. Ein neues Leben anzufangen. Du warst ja jung und stark. Du konntest andere Kinder zur Welt bringen, wenn du gewollt hättest.«
    Fassungslos schüttelte ich den Kopf.
    »Ja, ich weiß, dass sich das jetzt lächerlich anhört, Jess«, sagte er weich. »Aber wenn ich mit Agnes zusammen war, hätte ich alles für sie getan. Sie litt so entsetzlich, weil sie mit ihrem Schicksal überhaupt nicht fertig wurde. Ich hatte Angst um sie.« Louis meckerte ein bisschen und drehte sich in seines Vaters Armen. »Es tut mir wirklich leid, das musst du mir glauben. Es war verrückt. Natürlich war es das. Aber Liebe … Liebe treibt einen zu solchen Dingen, weißt du das nicht?«
    »Offensichtlich nicht«, flüsterte ich. Ein einsames Blatt glitt mir vor die Füße. Da fiel mir etwas ein. »Und Maxine? Das war doch alles ein abgekartetes Spiel, oder nicht?«
    Er hatte wenigstens so viel Anstand, jetzt beschämt den Kopf zu senken. »Nun …«
    »Ich lausche.«
    »Maxine erwischte Agnes und mich …« Er hielt inne.
    »Was? Oh Gott, Mickey, bitte hör jetzt auf, den Zartfühlen den zu spielen. Es ist ein bisschen spät, um meine Gefühle zu schützen, findest du nicht?«
    »Ich bin darauf nicht stolz, das kannst du mir glauben. Maxine erwischte Agnes und mich im Haus, im Bett.«
    Wie betäubt starrte ich vor mich hin.
    »Sie drohte, dir alles zu erzählen. Ganz moralisch. Aber Agnes hat sie einfach geschmiert. Maxine begriff nicht, was wir vorhatten. Ich glaube, das war uns selbst nicht ganz klar. Sie dachte nur, Agnes würde Louis ein paar Tage mitnehmen. Und Agnes bot ihr einen ganzen Haufen Geld. Ein Provinzmädchen wie Maxine konnte dazu einfach nicht Nein sagen.«
    »Offensichtlich.«
    »Offensichtlich«, stimmte er mir zu.
    »Vor allem, wo du ihr eingeredet hast, ich sei eine schlechte Mutter, Mickey?«
    »Auch das tut mir leid. Ich habe es einmal Agnes gegenüber erwähnt, und von da an hat sie es natürlich als Munition verwendet.«
    »Warum aber hat Maxine dich nicht verpfiffen, als man sie schnappte?«
    »Sie wusste ja nicht, dass ich etwas damit zu tun hatte. Nicht mit dem Entführungsteil jedenfalls.«
    »Ach ja. Nur mit dem Vögelteil. Sehr schlau eingefädelt. Deshalb hast du ihr den Tag frei gegeben, als wir ins Museum gingen? Damit Agnes freie Bahn hatte?«
    Er nickte.
    »Und die Rauferei im Pub? Du warst Agnes keine große Hilfe, so ohne Bewusstsein im Krankenhaus.«
    »Nein«, gab er zu. »Ab dem Punkt ging alles daneben. Ich sollte eine Schlägerei anfangen, damit es aussah, als habe man mir Louis mit Gewalt geraubt. Das sollte dich von der Spur abbringen und Agnes genug Zeit verschaffen, um zu
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