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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will
Autoren: Claire Seeber
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ich und richtete mich auf. »Silver ist der einzige Typ in meinem ganzen Leben, der je hielt, was er versprochen hat. Warum sollte ich das jetzt im Nachhinein verderben? Außerdem, selbst wenn ich ihn mögen würde, was ich nicht tue, und er mich mögen würde, was er mit Sicherheit auch nicht tut, dann bleibt doch die Tatsache, dass Mickey und ich uns gut verstehen.«
    »Das freut mich.«
    »Das glaube ich dir nicht.« Ich knallte die Tür des Geschirrspülers zu.
    »Doch, Jess, wirklich. Ich sehe ja, dass Mickey dich jetzt mehr schätzt. Ich sehe, wie er dich ansieht. Es ist nur … ich möchte einfach, dass du …« Sie nahm den Topf gerade noch rechtzeitig vom Herd. »Huch, das war knapp.«
    »Dass ich was?«
    »Dass du ein bisschen Frieden hast. Das, was du verdienst. Vielleicht bekommst du ihn ja jetzt mit dem Mann, der da draußen sitzt. Vielleicht lag ich von Anfang an verkehrt.«
    »Ja, genau.«
    »Ganz sicher. Nun, wo soll die Vanillecreme hin? Das sieht doch super aus.«
    »Müsst ihr die Äpfel erst vom Baum holen?«
    Mein Gott, war ich erschrocken. Mickey legte den Arm um meine Schultern und zog mich an sich.
    »Ich habe mich mit deinen Leuten unterhalten.« Er lachte mich an, dann wandte er sich – wenigstens für dieses eine Mal – wohlwollend an Shirl.
    »Du wärst doch eine tolle Patin, findest du nicht?«
    »Darauf kannst du wetten, Mann. Die absolut beste.« Sie goss die Vanillecreme fein säuberlich in eine Schüssel.
    »Da komme ich jetzt nicht ganz mit.« Ich holte den Apfelkuchen aus dem Backrohr. Das hintere Ende war ein bisschen braun geworden. Geknickt stach ich es an. »Mist.«
    »Deine Mutter findet, wir sollten Louis taufen lassen.«
    »Ich dachte, du bist gegen die Kirche? Du wolltest nicht einmal kirchlich heiraten.« Ich kratzte die dunklen Stellen vom Kuchen.
    »Das war etwas anderes.« Jetzt wirkte er zum ersten Mal am heutigen Tag wie der Mickey von einst. Auf der Hut. Ein bisschen verstimmt. »Ich konnte nicht. Schließlich war ich ja vorher schon kirchlich verheiratet. Das weißt du doch.« Wie ich gesagt hatte – überraschend katholisch. »Doch unter den gegebenen Umständen wäre es vielleicht ganz nett, findest du nicht? Nach allem, was wir durchgemacht haben. Außerdem ist das eine gute Ausrede für eine Party.« Er küsste mich auf die Stirn. »Vielleicht könnten wir …« Er sah fast ein wenig verlegen drein. »Vielleicht könnten wir ja auch unseren Hochzeitsschwur erneuern. Damit die Familie dabei sein kann.«
    »Wenn Gott damit einverstanden ist.«
    Brachen jetzt die Dämme? Mickey hob fragend eine Augenbraue.
    »Ich finde, das ist eine tolle Idee«, fuhr Shirl dazwischen. Jetzt war es an mir, sie mit hochgezogener Braue vorwurfsvoll anzusehen, doch sie ignorierte mich. »Die Vanillecreme wird nicht besser, wenn wir hier lange herumstehen. Können wir?«
    Als alle weg waren und ich Louis ins Bett gebracht hatte, fand ich Mickey im Halbdunkel sitzen. Er nippte an seinem Whisky und starrte die Tracey-Emin-Zeichnung an, die er mir geschenkt hatte.
    »Du siehst traurig aus«, sagte ich und beugte mich über die Sofalehne zu ihm. Er streckte die Hand aus und strich mir über das Haar.
    »Du weißt ja, wieso. Ich mochte das Bild, was immer man von der Künstlerin auch halten mag. Es erinnert mich an dich. Meine kleine, traurige Jess.« Er ließ mich los und stand auf. »Gehen wir schlafen.«
    Er nahm meine Hand und führte mich die Stufen hinauf. Im Schlafzimmer entkleidete er mich wortlos, als würde er mich anbeten. Mein letzter Gedanke vor dem Einschlafen war: »Es wird alles wieder gut.«
    Als ich nachts wach wurde, lag Mickey neben mir. Ich brauchte einen Moment, erst dann merkte ich, was nicht stimmte. Wir würden aus diesem Haus ausziehen müssen, um uns ein für alle Mal aus dem Gespensterreigen zu befreien. Nur so würde es gehen. Nur so würde uns der Neuanfang auch wirklich gelingen. Ich stand auf und tappte um die für die morgige Abreise gepackten Koffer herum in Louis’ Zimmer. Als ich in sein Bettchen sah, hielt ich den Atem an. Für den Fall, dass er nicht da sein sollte, nur für den Fall …
    Aber natürlich war er da und schlief tief und fest mit angezogenen Beinchen wie ein Frosch. Ein und aus ging sein Atem, ein und aus. Ich strich ihm zart über das Gesicht, damit er nicht aufwachte. Die Milch war mir nicht wieder eingeschossen, aber das war weiter nicht von Belang. Leigh sagte, ich hatte Glück, dass ich ihn nicht entwöhnen musste. Das hatte ich
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