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Morgen des Zorns

Morgen des Zorns

Titel: Morgen des Zorns
Autoren: J Douaihy
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obwohl der Himmel von Regen kündete. Während seiner seltenen Aufenthalte in den Gassen beteiligte sich Elia gerne an den Rangeleien, auch wenn er keiner Seite angehörte. Kaum hatte der Streit seinen Anfang genommen, da setzte er auf Weisung seiner Mutter, die um seine Augen fürchtete, die Brille ab, übergab sie einem Kameraden und stürzte sich ohne Rücksicht auf die Konsequenzen freudig ins Getümmel. Er schlug sich auf die Seite der weniger Kräftigen, die eher auf Hilfe angewiesen waren, schlüpfte durch die Beine der Großen, die im Kampf aneinanderklebten, kratzte, zwickte, biss, stieß dabei Kriegsgeschrei aus und beleidigte die Väter und Onkel der Gegner mit ausgeklügelten Bosheiten, die ihm verwunderlich leicht von der Zunge gingen. Doch bevor man auf ihn aufmerksam wurde und diesmal er seinen Teil an Schlägen und Tritten einstecken würde, weil er zur Gruppe der Angreifer gehörte, ertönte die Stimme seiner Mutter. Dann zog sich Elia unter den Pfiffen seiner Kameraden zurück, traurig und voll des Bedauerns, dass ihn die Sorge seiner Mutter um einen sicheren Sieg brachte und seinen Gegnern eine harte Strafe ersparte.
    Als er eines Tages mit zerbrochener Brille und einem Ausdruck von panischer Angst nach Hause kam, war das Maß für Kâmleh voll. Diesmal musste sie ihm nicht die üblichen Fragen stellen, ihn selbst drängte es, ihr zu erzählen, was ihm zugestoßen war. Als er keuchend zu berichten anhob, legte sie ihm die Hand auf die Brust, um das fortgesetzte Pochen seines Herzens zu spüren. Er erzählte, wie er zwei Jäger zum Hügel in der Nähe der alten Seiden-Werkstätte begleitet hatte. Sie hätten an jenem Tag beschlossen, ihren Jagdhund loszuwerden, weil er senil geworden sei, wie sie behaupteten, und seit etwa einem Monat die Wachteln, die sie schossen, auffraß, statt sie zu apportieren. Während Elia erzählte, schlug sich Kâmleh, die mit dem Schlimmsten rechnete, immer wieder mit den Händen auf die Oberschenkel. Ohne Elia in ihren Plan eingeweiht zu haben, brachten sie den Hund zu einem Abhang.
    – Dort, dort, komm her! Siehst du!, rief Elia seiner Mutter zu und ging zum Fenster. Ganz in der Nähe der Hecke hätte einer der Burschen eine Handgranate entsichert und sie dem Hund hingeworfen, der sich sofort daraufgestürzt hätte. Doch da er den Zünder mit dem Kiefer zu packen bekam, verhinderte er, dass die Handgranate explodierte. Dies aber würde unweigerlich in jenem Moment geschehen, wenn er den Burschen seine Beute vor die Füße fallen ließ. Während Elia in allen Einzelheiten erzählte, wurde er wieder von der gleichen Panik erfasst, wie sie ihn dort gepackt hatte. Kâmleh stieß einen Schrei aus, als sie die Gefahr auf ihren Jungen zukommen sah. Aus Angst, er könne möglicherweise verletzt worden sein und traue sich nicht, es zuzugestehen, begann sie ihn am ganzen Körper abzutasten. Auf jeden Fall hatte der Hund beschlossen, seiner Gefräßigkeit zum Trotz, die ihn in letzter Zeit die Vögel hatte vertilgen lassen, »die Beute« ihren Besitzern zu bringen. »Da bekamen wir Angst und brüllten, jeder solle in eine andere Richtung davonlaufen, um so die mögliche Gefahr unter uns aufzuteilen.« Der Hund aber habe sich wider Erwarten dazu entschlossen, seine Besitzer, die Jäger, zu ignorieren und sich deren zufälligem Begleiter an die Fersen zu heften:
    – Er ist plötzlich hinter mir hergelaufen, um mir die Handgranate zu bringen, Mama!
    Kâmleh stieß erneut einen Schrei aus. Glücklicherweise war Elia im Laufen gestolpert, so dass er zu Boden fiel und seine Brille zerbrach. Keuchend beendete Elia seinen Bericht und erzählte, wie der Hund sich von ihm abgewendet hatte, plötzlich und ohne ersichtlichen Grund, und in eine andere Richtung gerannt war. Dann war eine laute Explosion zu hören gewesen, und die Fetzen des armen Tieres waren bis über die Zweige des Jaffa-Orangenbaumes geflogen.
    – Geh rein und wasch dir das Gesicht, sagte Kâmleh, und hüte dich in Zukunft vor diesen Verbrechern!
    Unüberhörbar laut und vor den Ohren der Nachbarn verkündete Kâmleh nun zwei- oder dreimal täglich, Elia endgültig vom »Banden«-Viertel und sogar vom ganzen Dorf fernhalten zu wollen. Sie rief ihre Cousine an, eine Nonne im Verein der Schwestern des Kreuzes, und bat sie, ihr dabei behilflich zu ein, Elia in einem der Internate in der Nähe der Hauptstadt unterzubringen. Sie setzte sich mit der Schulleitung in Verbindung, damit man ihr einen Inspektionsbesuch in der
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