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Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Titel: Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
Autoren: Mark Benecke
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machen es mir deutlich.«
    Ein paar Fleischstücke bewahrt Issei im Kühlschrank auf, um sie in den kommenden Tagen, erneut mit der bewährten Senf-Salz-Marinade, zu braten. Zufrieden notiert er: »Das Fleisch wird von Tag zu Tag weicher, süßer und schmackhafter.« Metzger und Steakhäuser nennen diesen Effekt »abhängen«, Kriminalbiologen kennen ihn als Fäulnis: Das Gewebe zersetzt sich bei der Lagerung und wird dabei tatsächlich weicher und »zarter«.
    Der steinreiche Vater paukt Issei schon nach fünfzehn Monaten aus der Psychiatrie frei. Seither schrieb Sohnemann sechs Bücher und arbeitete gelegentlich als Kritiker für ein Feinschmecker-Magazin. Reue holt den Human-Gourmet bis heute nicht ein, immerhin aber die Einsicht, dass damals etwas schiefgelaufen ist:
    »Es tut mir furchtbar leid, sie getötet zu haben. Darum habe ich mein kannibalisches Verbrechen nicht wiederholt. Ich trinke heute lieber den Urin meiner Partner, anstatt ihr Fleisch zu essen. Wenn man ein schönes weißes Mädchen kochen könnte, ohne es zu töten, würde ich allerdings gerne dabei sein.«
    Die Zeiten haben sich geändert, und mittlerweile gehören Kannibalen, wenngleich nach wie vor eine seltene Spezies, zum kriminalistisch Erwartbaren. Armin Meiwes ist derim Moment in Deutschland bekannteste von ihnen, doch es gibt in Wirklichkeit eine lange Tradition von Menschen, die andere Menschen essen.
    Der verkauzte Karl Denke aus Münsterberg (heute: Ziębice, Polen) ist so ein Beispiel. Seine Familie erinnerte sich nur daran, dass er maulfaul und ein schlechter Schüler war (vgl. mein Buch
Mordmethoden
, S. 302–324). Bei der letzten Familienfeier, die der bärtige Mann besucht hatte, verspeiste er wortlos einen Riesenteller mit Fleisch und ließ die verdutzte Runde dann allein. Ansonsten war Denke beliebt, weil er herumstromernden Menschen eine Herberge bot. Als eines Tages einer von ihnen nach Münsterberg rannte und behauptete, Vater Denke habe ihm eine Hacke über den Schädel ziehen wollen, glaubte ihm daher kein Mensch. Erst ein Blick in Denkes Küche bestätigte die Aussage: in Sahne gekochte Gesäßmuskeln, Zähne in einer Geldtasche, Schnürsenkel aus Menschenhaut. Bei seiner Verhaftung trug Denke Hosenträger aus Leder, in denen man die mumifizierten Brustwarzen der Opfer noch erkennen konnte. Die damaligen Kollegen schlugen daraufhin in den ordentlich geführten Schlachtlisten Denkes nach: »Fünfundzwanzig Zentner und neunundsiebzig Pfund Menschenfleisch« hatte der schweigsame Kannibale erschlachtet.
    Anders als Issei hat Denke nie geredet. Im kleinen Gefängnis im Rathaus von Münsterberg erhängte er sich kurzerhand mit seinem Taschentuch. Das einzige vernünftige Foto von ihm zeigt ihn mit gefalteten Händen im Sarg liegend.
    Wie es sich für ein Monster gehört, brachte Denke nicht nur Tod, sondern auch Unglück über die Stadt: Der Dosenrhabarber, eine wichtige Einnahmequelle für Münsterberg, war von Stund an unverkäuflich, weil die Legende besagte, die rote Farbe des Gemüses stamme von auf die Felder verspritztem Menschenblut. Auch die Brotkörbe, ein weiteres Münsterberger Produkt, wurden zu Ladenhütern. Man fürchtete, sie seien mit Menschenhaut zusammengeflochten worden.
    Wenige Jahre zuvor hatte der – heute viel bekanntere – Fritz Haarmann ebenfalls eine vermutlich kannibalische Tatserie hingelegt. Die von ihm auf der Straße und im Bahnhof aufgegabelten »Puppenjungs« tötete er nach eigenen Angaben durch Bisse in den Hals. Hielt man ihm vor, dass das kaum möglich sei, wurde er weinerlich und beharrte darauf, die Opfer totgebissen zu haben. Ihre zerlegten Körper hat Haarmann wahrscheinlich verkauft. Um die Kundinnen (und sich) zu schonen, lieferte er dazu bei der gerichtspsychiatrischen Befragung aber keine Details.
    Eine hartgesottene Horrorfigur war Haarmann nicht; er gab noch nicht einmal zu, das Fleisch der Opfer als Nahrungsmittel »vertickt«, geschweige denn, es selbst gegessen zu haben. Die Polizei versuchte daher, ihn weichzukochen, indem man in seine Zelle auf ein unerreichbares Brettchen den Schädel eines seiner Opfer stellte. Hinein kam eine Kerze, die jede Nacht entzündet wurde und ein schauriges Flackern durch die Zelle warf. Der Psychotrick machte Haarmann tatsächlich zu schaffen: Er bat um einen (lebenden) Jungen, den man in seine Zelle führen solle, damit seine Kopfschmerzen endlich verschwänden.
    Es gibt noch viele andere vergessene Kannibalen. Joachim Kroll aus dem
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