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Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Titel: Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
Autoren: Mark Benecke
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wirken. Besonders an warmen, zugigen Orten ist dieser Effekt verblüffend und kann so schnell vonstattengehen, dass es im Nachhinein scheint, als seien die Nägel »über Nacht gewachsen«. (Foto: M. Benecke)
    Selbst die »neue« Haut, die sich unter einer alten, weißlich abfallenden Hautschicht bildet, gibt es wirklich. Die abfallende Schicht ist die obere Hautlage, die sich mit einsetzender Fäulnis vom restlichen Körper löst. Wenn es feucht ist, erscheint sie milchig weiß (andernfalls vertrocknet sie und fällt als papierdünne Schicht nicht auf). Sie kennen das Milchigwerden der Haut, wenn Sie einmal zu lange im Wasser waren: Die Haut wird dann schwammig. Der Effekt heißt bei Lebenden wie Toten »Waschhaut«, weil er früher bei Wäscherinnen auftrat. Die Haut kann sich dabei sehr leicht ablösen, was bei Lebenden zu Entzündungen und Schmerzen führt, die denen von Hautblasen ähneln. Der Illusionskünstler und Abenteurer David Blaine hat sich selbst eine schlimme Waschhaut eingehandelt, als er vom 1. bis zum 8. Mai 2006 in einem mit Wasser gefüllten Tank ausharrte.
    Abb. 7: Waschhaut, wie sie sich beim Illusionskünstler David Blaine im Mai 2006 bildete, als er acht Tage unter Wasser lebte. Derselbe Effekt tritt bei Leichen in Wasser auf und gilt auch als »sicheres« Vampirzeichen, weil darunter eine weitere, scheinbar »neue« Hautschicht liegt. (Foto: Reuters/Mike Segar)
    Diese sogenannten Leichenerscheinungen sind zwar völlig normal und treten bei vielen Leichen auf. Doch erstens weiß das kaum jemand (wer sieht sich schon regelmäßig faulende Leichen an?), und zweitens wäre dieses Wissen in einer schaurigen Exhumierungsnacht, durchwogt von Angst und Aberglaube, auch recht egal. Denn ob die Haut zurückweicht, weil sie vertrocknet, die »neue Haut« einfach die nächste Hautschicht unter der alten ist, ob das »Wohlgenährtsein« eher Fettwachs oder Gasblähung ist und ob das »frische Blut« einfach Leichenflüssigkeit ist (zu Fäulnisstadien vgl. mein Buch
Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie
, Bergisch Gladbach 2006) – es geht bei einer Vampirjagd um etwas anderes und Höheres: das Seelenheil des Verstorbenen und das Überleben seiner noch lebenden Familie.
    Abb. 8: Bei einer nur von Kerzen beleuchteten, nächtlichen Enterdigung kann eine Leiche scheinbar »gut erhalten«, also »untot« erscheinen. In Wirklichkeit handelt es sich oft aber nur um Vertrocknungen oder wie hier um die Umwandlung des Gewebes in schwer zersetzliches »Fettwachs« (Adipocire). (Foto: M. Benecke)
    Genau das bereitete den preußischen Gerichten auch solche Probleme. Böser Wille lag bei diesen Taten sicher nicht vor, denn niemand köpft gern seine verstorbenen Angehörigen. Da aber, rein rechtlich gesehen, weder ein Lebender verletzt (eine Leiche lebt nicht) noch eine Sache beschädigt wurde, ist es fraglich, ob eine Vampirköpfung überhaupt gesetzlich verboten ist.
    Mit diesem Problem befasste sich ausführlich der Jurist Otto Steiner. Er berichtet in seinem Buch
Vampirleichen. Vampirprozesse in Preußen
(1959):
    »Aus den alten Berichten haben wir gesehen, dass der Vampir sich zwar auf einen erheblichen, aber doch volksartlich umgrenzten, vorwiegend slawischen und neugriechischen Raum von Europa erstreckte. Des Engländers Lord Byron fragmentarische Erzählung
Der Vampir
und die deutsche Oper
Der Vampyr
waren lediglich literarische Beiträge. Während weiter kein Zweifel darüber besteht, dass der Ursprung des Vampirglaubens bis in ferne Zeiten der Menschheit zurückgeht, sind die Gründe, warum gerade die slawischen und griechischen Teile Europas von ihm ergriffen wurden, umstritten und brauchen in dem Rahmen dieser kleinen Schrift nicht erörtert zu werden.
    In den Jahren um 1870 nun verwandelte sich plötzlich das Bild der Ausbreitung: Der Vampir trat über in die preußische Provinz Westpreußen und griff zunächst nach einer Familie Gehrke. Die Ehefrau des Waldwarts Gehrke starb in einem westpreußischen Dorf und wurde dort beerdigt. Als bald nach ihrem Tode ihr Ehemann und auch die Kinder schwer erkrankten, verbreitete sich im Dorfe das Geraune und bald auch die Überzeugung, dass die verstorbene Frau ihren Ehemann unddie Kinder ›nachholen‹ wolle. Der Bruder des erkrankten Ehemanns Gehrke, G. Gehrke, besprach sich mit mehreren befreundeten Männern, und sie kamen überein, Grab und Sarg der verstorbenen Frau zu öffnen und als Mittel zur Abwendung des befürchteten Todes des
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