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Mordsmöwen

Mordsmöwen

Titel: Mordsmöwen
Autoren: Sine Beerwald
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zweifelnden Gesichtausdruck natürlich nicht. »Suzette ist hübsch und wird als Frau nicht so schnell angegriffen. Jonathan kommt bei anderen Möwen durch seine zurückhaltende Freundlichkeit immer gut an. Wir setzen auf Kooperation und Höflichkeit, auch im Austausch mit anderen Organisationen. Harry, Balthasar und Helgi, ihr führt zu dritt den Angriff auf einen Touri durch. Damit sind wir auf der sicheren Seite. Grey und Alki, ihr bleibt bei mir. Wir warten beim Wilhelmine-Brunnen auf die anderen und kühlen uns angelegentlich die Füße, als würden wir nur eine kurze Pause auf unserem Durchflug machen.«
    »Na toll, ganz klasse. Da kann ich ja gleich nach Hause abzischen«, sagt Grey und droht, sich von der Gruppe zu entfernen.
    »Ich bleibe lieber hier beim Haus«, beschließt Alki, dem schon die Flügel zittern. »Falls Mensch-Knut zwischenzeitlich zurückkommt, fahre ich bei ihm auf dem Autodach mit nach Hörnum.«
    »Ihr macht alle genau, was ich euch sage!«, kreischt unser Scheff und erhebt sich in die Luft.
    Das wäre allerdings das erste Mal, denke ich mir im Stillen, als wir uns auf die von ihm zugewiesenen Posten verteilen.
    An der Strandpromenade lande ich mit Jonathan und Suzette auf dem Dach vom besten Hotel am Platze. Das »Miramar« wird seit Großvaters Zeiten als Spähplatz genutzt, allerdings haben unsere Vorfahren da noch vom Fischfang gelebt. Den Erbauer des Hotels hielt man vor hundert Jahren für ziemlich verrückt, als er beschloss, sein Hotel so nah an die Kliffkante zu stellen. Für uns ist es bis heute ein guter Aussichtspunkt auf den mittlerweile größten Warenumschlagplatz der Insel.
    Halleluja, wie beschaulich geht es dagegen in unserem Hörnum zu! Ein Gewusel schon am frühen Morgen. Haufenweise Spaziergänger auf der Promenade, Kinder kreischen und spielen am Wellensaum, während die Eltern wie gerupfte Hühnchen mit ebensolcher Hautfarbe im Strandkorb liegen, als hätten sie sich dort seit einer Woche nicht mehr wegbewegt. Die finden das auch noch toll. Werde ich nie verstehen. Genauso wenig wie die Menschen, die mit Knöpfen im Ohr wie aufgescheucht am Flutsaum entlangrennen. Die sind für mich ohnehin völlig uninteressant, weil sie bei den Dealern immer nur was zum Trinken kaufen.
    Der Westerländer Crêpes-Stand wird von einer Mauerbalustrade oberhalb der Promenade aus von finsteren Gesellen überwacht. Oha, mit denen will ich nicht mal verhandeln müssen. Selbst die Touris, die von dort oben den Ausblick auf den Strand und das Meer genießen wollen, halten sich geballt an eben jenem Abschnitt der meterlangen Balustrade auf, wo keine der Möwen sitzt.
    Unten auf der Promenade ertönt der spitze Schrei einer Frau. Wow, das war ein beeindruckendes Manöver. Von der Musikmuschel aus, wo gerade ein klassisches Vormittagskonzert gespielt wird, ist eine Möwe losgeflogen und keine drei Sekunden später mit der Eiswaffel im Schnabel durchgestartet. Unter dem Jubelgeschrei ihrer Kollegen fliegt sie zurück auf ihren Posten. Dieses Revier scheint besetzt. Schiet. Bleibt nur noch das Strandcafé, das vom Luftraum aus überwacht wird. Dort, in höheren Sphären, kreisen auch Helgi, Balthasar und Harry. An einem der Außentische könnten wir mit einer schnellen Bodenoffensive vielleicht Erfolg haben. Ich will den dreien ein Zeichen geben, aber Helgi und Harry sind so damit beschäftigt, unauffällige Touristen-Möwen zu mimen, dass sie mich völlig aus dem Blick verloren haben. Immerhin, Balthasar schaut nicht auf das Meer hinaus, sondern in meine Richtung. Ich deute mit einem Flügelschlag auf das Strandcafé und denke, eine Möwe grunzt: Noch bevor ich ihm irgendwas begreiflich machen kann, dreht Balthasar ab, greift sich unter den Flügel und beschäftigt sich mit seinem klingelnden Scheißtelefon!
    So viel zu seinen ewigen Vorträgen zum Thema Teamarbeit.
    Kopfschüttelnd beobachtet auch Suzette Balthasars Alleingang und schirmt dabei ihre empfindlichen Augen mit dem Flügel gegen die Sonne ab. Der rote Ring um ihre wunderschön schwefelgelbe Iris tritt deutlich hervor. Ich weiß, dass ihr größter Traum eine Sonnenbrille »Modell Stubenfliege« wäre. Der Scheff hat schon recht, Suzette ist wirklich hübsch. Sie hat eine weiblich rund geformte Stirn und einen kurzen, weich gebogenen Schnabel. Letzteren hat sie von Männern leider gestrichen voll. Drei meiner Spezis haben ihr eine Modelkarriere und ein Leben in Luxus versprochen, damit sie sich vor den Touris in Pose wirft. Reich
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