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Mordshunger

Titel: Mordshunger
Autoren: Frank Schätzing
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Zahnbürste zu suchen. Falls noch eine da war.
    Bazaar
    Schramm hörte den Schrei, bevor er ihn begriff. Dann ein Heulen: »Gott! Oh Gott! Oh Gott!!!«
    Sein Herzschlag setzte aus. Alles Blut wich aus seinem Hirn. Unfähig nachzudenken, festgefroren an der Tür, elektrisiert bis in die Fingerspitzen, stand er da und biss sich auf die Zunge.
    Da, noch etwas! Schwach. Ein Poltern, oder eher … nein, jetzt war alles still. Nichts mehr.
    Schramm schloss die Augen und kämpfte gegen die Übelkeit an.
    Gleichmäßig prasselte der Regen an die Fenster.
    Er lauschte in die plötzliche Stille hinein, während es in seinen Beinen zu kribbeln begann. Die Schreie waren von oben gekommen, aus dem fünften Stock, ebenso wie das Poltern – vorausgesetzt, seine aufgeschreckten Sinne hatten ihm keinen Streich gespielt. Alles war plötzlich unwichtig geworden, der Fabrikant, das Geld, nur die Angst war wirklich.
    Im nächsten Augenblick hasteten Schritte durch den Hausflur, laut und polternd, runter aus dem Fünften, geradewegs auf seine Wohnung zu und …
    Schramm wirbelte herum. Seine Finger verfehlten die Kette an der Tür, suchten danach in panischer Hast, griffen ins Leere.
    … vorbei, weiter die Treppe hinunter, als sei der Teufel hinter ihnen her, wurden leiser, verklangen. Unten ging die Haustür.
    Schramm legte das Gesicht gegen die kühle Oberfläche der Tür und atmete tief durch.
    Etwas war passiert. Er fühlte es. Er hatte einen Sensor für alles Furchteinflößende, selbst wenn er durch Mauern davon getrennt war.
    Inka von Barneck …
    Sie bewohnte die komplette obere Etage. Allein, soviel er wusste. War sie so überstürzt die Treppe hinuntergelaufen? Hatte sie geschrien?
    Seine Knie begannen zu zittern.
    »Verdammt!«, presste er hervor. »Verdammt! Verdammt!« Das Fluchen wirkte, als schütte jemand Eiswasser über sein Hirn, so dass er wieder klarer denken konnte. Wenn ihr nun was passiert war?
    Er musste nachsehen.
    Einbrecher vielleicht –
    Aber ja, es war einer eingebrochen! Sie hatte ihn entdeckt, geschrien, er war abgehauen. Hatte sie niedergeschlagen – dieses Poltern –, und dann raus, so schnell es ging. Der Kerl war also weg. Keine Gefahr.
    Zögernd öffnete Schramm die Wohnungstür und blickte hinaus in den dunklen Hausflur.
    Hatte sich da was bewegt?
    Nein, nichts. Nur Hirngespinste.
    Ohne einen Fuß über die Schwelle zu setzen, tastete er nach dem Lichtschalter draußen neben der Klingel. Die Leuchtstoffröhren sprangen summend an, der Hausflur lag in weißes Licht getaucht, Stufen, Geländer, alles an seinem Platz. Auf Zehenspitzen ging er bis zum Treppenabsatz, aber die Zehen weigerten sich plötzlich vehement, ihn weiterzutragen. Vorsichtig beugte er den Oberkörper über das Geländer, um nach oben schauen zu können. Nichts war da, was er nicht schon kannte.
    »Frau von Barneck?«, flüsterte er.
    Keine Antwort. Klar, er war zu leise. Aber lauter traute er sich nicht.
    »Frau von Barneck?«
    Er würde raufgehen müssen. Wie er den Gedanken hasste. Irgendwas da oben war aus dem Ruder gelaufen. Etwas hatte Einzug gehalten von den Dingen, die sonst nur in den Nachrichten kamen, die immer nur den anderen passierten, bitte nur den anderen!
    Da oben wohnte die Angst. Seine Angst.
    Rauf mit dir, schalt er sich. Du willst sie doch haben! Nur Helden gewinnen.
    Mit ein paar schnellen Schritten war er oben, fast oben, denn auf dem letzten Meter wäre er beinahe gestolpert. Die Wohnungstür stand weit offen.
    Er hielt inne.
    »Frau von Barneck?«
    Aus der Dunkelheit wehte ihm ein kühler Lufthauch entgegen, die einzige Antwort.
    Wildentschlossen nahm er die letzten Stufen und umklammerte mit beiden Händen den Türrahmen. Jetzt, als er fast in der Wohnung war, zeichneten sich schwach Konturen darin ab, erhellt vom Schein der Flurbeleuchtung. Er trat ein, sah sich im Halbdunkel um und suchte nach einem Lichtschalter. Sein Blick streifte über den Boden, fiel auf die Hand …
    Die Hand.
    Im selben Augenblick erlosch die Flurbeleuchtung.
    »Oh Mist«, wimmerte Schramm.
    Der Übergang war zu krass gewesen, jetzt sah er überhaupt nichts mehr. Jemand lag auf dem Fußboden, gleich neben der Wohnungstür, soviel wusste er. Aber wo war dieser gottverdammte Schalter?
    Panik.
    Er ballte die Fäuste und zwang sie in einen Winkel seiner Magengrube zurück, setzte einen Fuß vor den anderen wie ein Seiltänzer und tastete sich zum Türrahmen, wo er den Schalter vermutete. Irgendwie hatte er das Gefühl, zu weit links
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