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Mordsfreunde

Titel: Mordsfreunde
Autoren: Nele Neuhaus
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Kanne getrunken.«
    »Warum denn das? Hatten Sie heute Nacht etwa schon eine Leiche?«
    »Nein, nein«, Pia lächelte, »ich hatte einen erfreulicheren Grund, nicht zu schlafen. Eine Fohlengeburt.«
    »Ach«, Sander setzte sich hinter den Schreibtisch und musterte Pia so neugierig, als ob sie sich vor seinen Augen in ein seltenes Tier verwandelt hätte. Und zum ersten Mal an diesem Tag lächelte Dr. Sander. Ein freundliches, wohlwollendes Lächeln, das sein ernstes Gesicht unvermittelt aufstrahlen ließ und völlig veränderte.
    »Pferde als Ausgleich zu Ihrer Arbeit mit Toten und Mördern«, Sander betrachtete sie prüfend, als sei er sich noch nicht ganz im Klaren darüber, wie er sie einschätzen sollte.
    »Genau«, Pia lächelte zurück. »Ich lebe mit meinen Pferden Tür an Tür.«
    »Sie leben mit Ihren Pferden Tür an Tür?«, fragte Sander. Das Gespräch drohte in eine ziemlich private Richtung abzudriften. Nicht, dass es Pia unangenehm gewesen wäre, Sander war ihr sympathisch, aber sie hatte leider keine Zeit zum Plaudern.
    »Sie wollten mir mehr über den Toten erzählen. Woher kannten Sie ihn?«
    Sanders Lächeln verschwand augenblicklich.
    »Pauly hat vor ein paar Jahren eine Interessengemeinschaft gegen die Tierhaltung in Zoos gegründet und in Leserbriefenund Internetforen unsachliche Hetzkampagnen gegen Zoos im Allgemeinen und im Besonderen angezettelt«, erwiderte er. »Unter anderem auch gegen uns. Ich bin ihm das erste Mal vor zwei Jahren begegnet, als er vor dem Zoo mit ein paar jungen Leuten Flugblätter verteilt und gegen die Elefantenhaltung demonstriert hat. Lehrer haben offenbar jede Menge Zeit.«
    Das klang abfällig.
    »Wir haben in den letzten Jahren sehr viel für die Verbesserung der Haltungsbedingungen unserer Tiere getan«, fuhr der Zoodirektor fort. »Diesem Pauly war das alles nicht genug. Er war der Meinung, dass es überhaupt keine Zoos geben dürfe. Und mit seiner Meinung hat er nie hinter dem Berg gehalten. Er hat gerne große Reden geschwungen, viel Wind gemacht und Leute beschimpft.«
    »Hat er Ihnen Probleme gemacht?«, erkundigte Pia sich.
    »Er hat keine Tiere befreit oder Parolen an die Gehege geschmiert, wenn Sie so etwas meinen«, Sander runzelte die Stirn. »Aber er hat eben ständig gegen irgendetwas protestiert, via Internet oder hier vor Ort Unruhe gestiftet, am liebsten dann, wenn im Zoo richtig viel los war.«
    Sander machte eine abwehrende Handbewegung.
    »Ich habe öfter mit ihm diskutiert, ihn sogar hierher eingeladen, ihm erklärt, was wir tun und weshalb wir das tun. Reine Zeitverschwendung. Ich kann mit berechtigter Kritik umgehen, aber nicht mit Polemik. Und ich kann es nicht leiden, wie dieser Pauly die Menschen aufgehetzt hat. Er war unsachlich. Kompromisslos in seinen Ansichten. Jugendliche finden das toll. Cool. Sie haben Lukas ja eben gehört. Ich finde es gefährlich. Im Leben ist nicht alles nur schwarz oder weiß.«
    »Wann haben Sie das letzte Mal mit ihm gesprochen?«, wollte Pia wissen.
    »Am Sonntag«, antwortete der Zoodirektor. »Dieser Kerl tauchte mit einer Abordnung seiner Jünger auf und fing wieder an zu stänkern. Da ist mir der Kragen geplatzt.«
    Pia konnte sich lebhaft vorstellen, was passierte, wenn Dr. Christoph Sander der Kragen platzte. Nach ihrem ersten Eindruck von der Leiche war Pauly ein eher schmächtiger Mann gewesen – kein Gegner für den vor Vitalität strotzenden Zoodirektor.
    »Was ist passiert?«, fragte sie.
    »Es gab eine Diskussion«, erwiderte Sander vage. »Der Kerl fing an, mir die Worte im Mund herumzudrehen. Irgendwann wurde es mir zu dumm. Ich habe ihn rausgeworfen und ihm Hausverbot erteilt.«
    Pia legte den Kopf schief.
    »Jetzt ist er keine fünfzig Meter vom Zoo entfernt tot aufgefunden worden.«
    »Und er hat es noch im Tod fertiggebracht, gegen mein Hausverbot zu verstoßen«, Sander lächelte mit bitterer Belustigung. »Zumindest ... teilweise.«
     
    »Könnte der Zoodirektor etwas mit dem Tod von Pauly zu tun haben?«, fragte Bodenstein seine Kollegin, nachdem sie ihm von ihrem Gespräch und Sanders Schlagabtausch mit Lukas van den Berg erzählt hatte.
    »Nein, das glaube ich nicht«, Pia schüttelte den Kopf.
    »Der Junge ist noch zum Leichenfundort gekommen und wollte Pauly sehen«, erzählte Bodenstein. »Er wirkte sehr betroffen und machte sich Sorgen um Paulys Lebensgefährtin. Ich hatte den Eindruck, er mochte die beiden.«
    Pia pflichtete ihrem Chef bei. »Er arbeitet in dem Bistro, das Pauly
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