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Mordsfreunde

Titel: Mordsfreunde
Autoren: Nele Neuhaus
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Toiletten. Nicht auszudenken, was geschah, wenn tatsächlich jemand ein Leichenteil fand! Sein Handy klingelte mit einer melodiösen Tonfolge.
    »Ja?«, meldete er sich, dann hörte er einen Moment zu. Bodenstein beobachtete, wie sich Sanders Gesicht verdüsterte.
    »Was gibt's?«, fragte er.
    »So eine verdammte Scheiße!«, sagte der Zoodirektor aus tiefster Seele. »Ich glaube, ich lasse den Zoo räumen und sage dem Fernsehteam ab. Im Mufflongehege liegt auch etwas.«
     
    Um halb elf wurde der inzwischen eingetroffene Leichenspürhund auf der Wiese oberhalb der B455 fündig. Bodenstein und Pia drängten sich durch die Menschenmenge, die vom Fußweg unterhalb der Wiese neugierig zugesehen hatte, wie eine Hundertschaft der Polizei Quadratmeter um Quadratmeter absuchte. Der Einsatzleiter erwartete sie mit dem Hundeführer nicht weit vom unteren Parkplatz entfernt.
    »Eine männliche Leiche«, sagte er. »Und ein Fahrrad. Hier vorne, keine drei Meter von der Böschung zum Parkplatz entfernt.«
    Es duftete würzig nach frisch gemähtem Gras. Stahlblau wölbte sich der Himmel über den dichten Mischwäldern des Taunus. Von der Wiese aus hatte man einen herrlichen Blick über die Kronberger Burg bis zu der in der Ferne glitzernden Skyline von Frankfurt. Ein friedlicher, schöner Junimorgen, viel zu schön, um eine verstümmelte Leiche anzuschauen. Bodenstein zog sich Latexhandschuhe an und trat zu der Leiche hin. Der Mann lag auf dem Bauch, zur Hälfte im hohen Gras. Er war mit einem khakifarbenen T-Shirt und Boxershorts bekleidet. Erwartungsgemäß fehlten der linke Arm bis zum Ellbogenund das linke Bein bis zum Knie, aber es war kein Blut zu sehen. Der Fotograf schoss Bilder aus allen Perspektiven, die Männer von der Spurensicherung suchten die Gegend um den Fundort nach verwertbaren Spuren ab.
    »So wie es aussieht, werden Sie keine weiteren Teile in Ihrem Zoo finden«, sagte Dr. Kirchhoff zum Zoodirektor, der mit versteinerter Miene ein wenig abseits stand, »sonst scheint noch alles an ihm dran zu sein.«
    »Da bin ich aber froh«, gab Sander sarkastisch zurück.
    »Sollen wir ihn jetzt umdrehen?«, fragte einer der Männer von der Spurensicherung. Bodenstein nickte und hielt unwillkürlich die Luft an. Der Anblick des Toten war nichts für schwache Nerven. Die Hitze hatte den Verwesungsprozess begünstigt, Gesichtszüge waren kaum noch zu erkennen, Insekten und Ameisen hatten schon damit begonnen, das tote Gewebe zu besiedeln.
    »Jesusmariaundjosef«, der Zoodirektor wandte sich ab und übergab sich in den Graben zwischen Wiese und Parkplatz. Bodenstein hatte das stabile Nervenkostüm und die Souveränität von Sander bisher bewundert. Der Mann hatte seine Mitarbeiter, den Zoo und sich selbst in einer Ausnahmesituation wie dieser gut im Griff. Im Fach Krisenmanagement hatte er fraglos eine Eins mit Sternchen verdient.
    »Er hatte keine Papiere bei sich«, ließ sich Kirchhoff vernehmen, nachdem er die spärliche Bekleidung des Toten untersucht hatte. »Und die Leichenflecke lassen sich noch ein wenig wegdrücken, aber kaum noch.«
    »Was bedeutet das?« Bodenstein drang süßlicher Verwesungsgeruch in die Nase, und er trat einen Schritt zurück.
    »Er ist nicht länger als sechsunddreißig Stunden tot. Aber auch nicht viel weniger.«
    Bodenstein rechnete nach.
    »Das wäre irgendwann Dienstagabend gewesen«, sagte er.
    »Geht es Ihnen gut?« Pia Kirchhoff sah den Zoodirektor besorgt an. Sander holte tief Luft und atmete wieder aus. Er war schneeweiß im Gesicht.
    »Ich kenne den Mann«, sagte er mit gepresster Stimme und flüchtete im Sturmschritt von der Wiese über den Parkplatz. Pia holte ihn ein und erwischte gerade noch rechtzeitig seinen Arm, als er ohne nach rechts oder links zu schauen die stark befahrene Bundesstraße überqueren wollte. Sie riss ihn unsanft zurück. Ein silberner BMW rauschte nur wenige Zentimeter an ihnen vorbei, der Fahrer drückte auf die Hupe und zeigte ihnen einen Vogel.
    »Jetzt beruhigen Sie sich erst mal«, sagte Pia. Sander atmete tief durch.
    »Ich bin eigentlich nicht besonders zart besaitet«, sagte er dann, »aber das hat mich jetzt doch umgehauen.«
    »Das verstehe ich.« Pia nickte verständnisvoll. »Wer ist der Mann?«
    »Hans-Ulrich Pauly. Lassen Sie uns in mein Büro gehen, dann erzähle ich Ihnen mehr.«
    Kurz bevor sie den Container erreicht hatten, in dem während der derzeit laufenden umfangreichen Bauarbeiten die provisorischen Büros der Zooleitung untergebracht
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