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Mords-Bescherung

Mords-Bescherung

Titel: Mords-Bescherung
Autoren: Erich Weidinger
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dem man Preise gewinnt.«
    »Elchbrot, das fast tödlich ist«, knurrte der Kollege und ging immer
noch kopfschüttelnd den Gang hinunter. Sütterle folgte, den Bofrost-Teig würde
sie kaufen. Sie war nämlich auch eine totale Backversagerin. Allerdings würde
sie niemals an einem Wettbewerb teilnehmen. Und besser jeder Freundin erzählen,
woher die Plätzchen stammten. Oder doch nicht? Ihre Schwägerin Veronika gab
immer so an mit ihren Vanillekipfle …

Thomas Raab
    Die Ankunft des Herrn
    An und für sich, global gesehen, ist der Name Jesus ja
nichts Besonderes. In Mexiko, Kuba, Puerto Rico, Venezuela, Kolumbien,
Guatemala, Spanien, Portugal und weiß der Teufel wo werden vorwiegend männliche
Mitglieder der Gesellschaft zuhauf so gerufen, sie müssen nicht einmal
katholisch sein.
    Hört allerdings jemand auf diesen Vornamen, ohne dass dahinter
beispielsweise ein klingendes Martinez, Salvador oder Rodriguez folgt, ist das
sehr wohl etwas Besonderes. Vor allem, wenn sich aus heiterem Himmel, wie ein
stilistischer Handkantenschlag – als ließe sich eine Stradivari freiwillig von
einer Melodika begleiten –, ein Holzinger dazugesellt.
    Jesus Holzinger also! Warum Marianne Holzinger, Ehefrau vom
hundertprozentig einheimischen Hans und Mutter von Jesus, diesen Namen wählte,
begründete sie immer mit: »Wenn es im Umkreis von zwei Kilometern eine Jessika
Baumgartner, eine Chiara Haluschnig, einen Moses Brunner oder einen Ronaldo
Zellmoser gibt, warum keinen Jesus Holzinger?« Wobei sie darauf bestand, das
»J« ihres Sohnes möge ausgesprochen werden wie ein »Ch« und das erste »e« wie
ein »ä«. Chäsus Holzinger also!
    Ohne Chance auf Erfolg, versteht sich. Im schwer katholischen
Städtchen Gmeining blieb Jesus Holzinger stets nur der Holzinger Jesus oder
maximal »Jessas der Holzinger«.
    Zu allem Übel, als wollte der Holzinger Jesus sein Schicksal
herausfordern, wurde er Tischler. Das eigentliche Übel daran war aber weniger
die Arbeit mit Holz als sein Drang, dieses Holz auch selbst herzustellen. Jesus
Holzinger erarbeitete sich mit viel Fleiß im Lauf der Jahre seinen eigenen
Wald, oder eigentlich den Wald vom ehemaligen Bauern Heindling, seine eigene Baumschule
und schließlich seine eigene kleine Tannenzucht. Die Holzingertannen.
    Nur, was hilft einem die schönste Tannenzucht, wenn jahraus, jahrein
auf den einzigen beiden zugelassenen Standplätzen vor der Gmeininger Kirche,
als wäre es eingesessenes Recht, dieselben zwei Christbaumhändler ihre
Christbäume unters fromme Gmeininger Volk bringen? Dem frommen Jesus samt
seiner Baumschule blieb vorerst nichts anderes übrig, als den eigenen Bäumen
beim Wachsen zuzusehen, obwohl sich sein frommes Herz nur nach einem sehnte:
nach diesen einzigartigen lachenden Kinderaugen, in denen sich im Kerzenschein
der regelmäßige Wuchs einzigartiger Christbäume widerspiegelt – seiner
Christbäume, versteht sich.
    Vorerst.
    Denn wie der Hase so läuft zwischen den beiden Händlern gegenüber
seiner Tischlerei am Kirchenplatz, das wusste er, der Holzinger Jesus. Obwohl,
gelaufen ist da gar nichts mehr. Warum sollen Männer, die vehement einen
Standplatz verteidigen, auch nur einen Schritt aufeinander zugehen? Zugegangen
ist es dann allerdings wie im Wilden Westen:
    Seit mehr als drei Wochen, und während dieser Zeit Tag für Tag, vom
Acht- bis zum Siebzehn-Uhr-Geläute der hellen, schrillen Kirchenglocken vom
Zwiebelturm der Pfarrkirche Gmeining, Friedrich Kurpartl mit seinem Filzhut und
seinem unappetitlichen Vollbart ansehen zu müssen, war nämlich für Sepp
Riedinger einmal mehr genauso entsetzlich wie für Friedrich Kurpartl der
alljährliche ungustiöse Anblick des fettleibigen, stets gut gelaunten Sepp
Riedinger mit seiner ekelhaften Pfeife.
    Aber nicht, dass sich die beiden aufgrund dieser gepflegten
Antipathie davon hätten abhalten lassen, ihren alten Standplatz stets neu zu
beziehen. Verlässlich wie das Amen im Gebet, oder besser so verlässlich wie das
Entzünden der ersten Adventskranzkerze hinter den Fenstern der frommen
Gmeininger, bauten die beiden an diesem sonntäglichen Startschuss zur
Vorweihnachtszeit wieder ihre Tannen vor der Kirche auf. Was heißt »sie bauten
auf«! Friedrich Kurpartl und Sepp Riedinger forsteten auf, sie errichteten
Nadelwälder auf den Pflastersteinen des Marktplatzes, dagegen war die gepflegte
Tannenzucht vom Holzinger Jesus ein Dokument des Waldsterbens. Natürlich waren
die Bäume am Marktplatz noch viel eher dem
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