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Mords-Bescherung

Mords-Bescherung

Titel: Mords-Bescherung
Autoren: Erich Weidinger
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Tod geweiht als die Pflanzen vom
Holzinger. Und wenn also schon aus christlichem Anlass dem Tod geweiht, dann
natürlich ganz im Sinn der katholischen Tradition, zum qualvollen Feierabend,
um nicht zu sagen Massenmord, am Holzkreuz.
    Und genau damit begann die frostige Geschichte zwischen dem
Kurpartl, dem Riedinger und indirekt auch dem Holzinger: mit dem Kreuz. Dem
heiteren Riedinger kam nämlich fünf Tage vor Weihnachten aus ebenso heiterem
Himmel die glorreiche Idee, den Christbaumkäufern, die bei ihm einen Baum
erstanden, gratis ein Holzkreuz, also einen Christbaumständer, dazuzugeben und
mit der flachen Rückseite seiner Axt auf den Stamm zu klopfen, auf dass der
Baum bombenfest am Wohnzimmerteppich neben dem Heizkörper seinem Ende entgegenrieseln
könne. Das schrieb er dann auch auf eine Tafel: »Christbäume plus gratis
montiertes Holzkreuz«.
    Logisch, dass das mit dem heiteren Himmel nur der Kurpartl
annahm, ohne einen blassen Schimmer von der verteufelten dahintersteckenden
Idee zu haben. Von der wusste natürlich der Riedinger auch nichts, als ihm da
eines Abends der Tischler Holzinger einen großmütigen Vorschlag unterbreitet
hatte: Er hätte doch so viele Holzreste und würde sich freuen, wenn er daraus
Christbaumkreuze zimmern könnte, die der Riedinger zu dieser frommen Zeit
wohlgemerkt weiterverschenken könne. Aber wirklich verschenken, bitte! Darauf
hatte er bestanden, der Holzinger Jesus.
    Logisch, dass das dem Riedinger ein quietschfideles Dankeschön wert
war, und logisch, dass ihm mit diesem Zusatzangebot dann die Tannen weggingen
wie die warmen Semmerln.
    Jetzt hatten sich die beiden Geschäftsmänner aber bis zu diesem
Zeitpunkt ohnedies nicht mehr zu sagen als ein grimmiges »Guten Morgen« oder
»Guten Abend«, und das natürlich nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ.
Trotzdem trugen sie ihren Wettbewerb nicht mit verkaufsstrategischer Finesse
und Heimtücke aus. Keiner versuchte den anderen auszutricksen oder zu
übervorteilen. Man tat einfach so, als wäre man der einzige Händler am Platz.
Jedenfalls machte so jeder der beiden sein Geschäft, bisher.
    Nur, durch diese Holzkreuzaktion des fetten Riedinger war es beim
vollbebärteten Kurpartl aus mit der Höflichkeit. Denn gerade in diesem Jahr
bereiteten ihm diese Kreuze genauso viele Qualen wie sein eigenes, was
natürlich für den Holzinger aus seiner Tischlerei mit Blick auf den
Kirchenplatz seit Langem deutlich sichtbar war. Nur mit Spritzen konnte der
Kurpartl dem Herumgerutsche seiner nervösen Bandscheiben halbwegs standhalten.
Folglich ergab sich aus seiner Sicht der einleuchtende Gedankenschluss: »Der
Riedinger, das elende Schwein, der mir ja täglich bei der Arbeit zusieht, weiß
von meinem Kreuz mit dem Kreuz und erhofft sich genau deshalb mit seinen
Kreuzen einen Wettbewerbsvorteil.«
    Menschen, deren Leid sich andere zur eigenen Bereicherung zunutze
machen, können da blöderweise ganz schön sensibel reagieren.
    »Da hast du dich aber in den Finger geschnitten, du Saukerl!«, ging
es dem Kurpartl durch den Kopf, während er an diesem folgenschweren Morgen bereits
bei Tagesanbruch der eisigen Kälte mit dem selbst gebrannten Marillenschnaps zu
Leibe rückte. Wahrscheinlich hatte er dann im Laufe des Tages von genau dem
auch ein wenig zu viel erwischt. Denn anders ist es nicht zu erklären, dass er
kurz vor Mitternacht mit einem Fuchsschwanz anrückte und sich nicht zu blöd
war, trotz heftiger Rückenschmerzen unter das Abdecknetz zu kriechen und allen
Riedinger Bäumen den Stamm bis zur Höhe der untersten Astreihe abzusägen. So,
dass keine der Tannen aber auch nur irgendwo mehr hingesteckt werden konnte,
maximal an den Hut.
    Jetzt sind die armen Christbäume in gewisser Weise ja ohnedies
schon viel weniger Sterbende als vielmehr Leichen, und zwar dermaßen lange
öffentlich zur Schau gestellte, da stinkt ein aufgebahrter Erdenbürger längst
gewaltig zum Himmel. So ein Bäumchen aber hält sich tapfer, und mit allerlei
buntem, meist geschmacklosem Krimskrams lässt sich so ein langwieriger Verfall
selbst für gewiefte Kinderaugen einigermaßen ansehnlich gestalten.
    Bei dem, was der Kurpartl nun allerdings mit seinem Fuchsschwanz
angerichtet hatte, spräche selbst ein abgebrühter Bestatter von
Leichenschändung. Traurig lagen sie da, die entstellten Riedingertannenleichen.
    Und während am nächsten Morgen der stets gut gelaunte Sepp Riedinger
zum ersten Mal, seit ihn Friedrich Kurpartl ertragen muss, eben nicht
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