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Mord zur besten Sendezeit

Mord zur besten Sendezeit

Titel: Mord zur besten Sendezeit
Autoren: Valerie Frankel
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sich ein Bild: Max, wie er mir gestern abend am Tisch gegenüber gesessen hatte. Er starrte mich an, als wäre gerade meine Nase in die Suppe gefallen. Ich spürte ein merkwürdiges Ziehen in mir, und meine Augen sprangen wieder auf. Das Bild war fort, und mein Magen beruhigte sich wieder. Ich hatte wirklich Herkulesarbeit geleistet, indem ich den größten Teil des Tages nicht an Max gedacht hatte. Ob er an mich gedacht hatte, weiß ich nicht. Er hatte mich jedenfalls nicht angerufen.
    Ein zufällig anwesender Zeuge würde wohl ausgesagt haben, daß ich mich am Abend zuvor wie eine blöde Ziege benommen hatte, obwohl ich die Umschreibung »sozial unzulänglich« besser finde. Max hatte mich zu einem Abendessen en famille mitgenommen. Wir gehen schon seit längerem miteinander aus, und er hatte mir schon seit Ewigkeiten damit in den Ohren gelegen, daß ich endlich einmal den Greenbaum-Clan kennenlernen sollte. Es war nicht so, daß ich nicht daran interessiert gewesen wäre — ich bin nicht umsonst Detektivin und mit übernatürlicher Neugier ausgestattet. Aber es gibt auf dieser Welt zwei Arten von Freundinnen. Es gibt die, die ein ganz klitzekleines bißchen mit dem Vater ihres Freundes flirtet und sich mit Mom in Midtown zu einem leichten Mittagessen verabredet, um dann gemeinsam mit ihr zur Maniküre zu gehen. Und dann gibt es die andere Art, die ich nämlich verkörpere, die nicht versteht, warum die Tatsache, sich in einen Typen verliebt zu haben, die Verpflichtung zum Familienanschluß mit sich bringt, ob dabei nun ein kostenloses Abendessen herausspringt oder nicht. Ich bin bei Elternkennenlernbesuchen beschissen. War ich immer schon und werde ich immer sein. Ich werde wahrscheinlich auch als Elternteil beschissen sein, obwohl Otis sich noch nie (beziehungsweise nur sehr selten) beschwert hat.
    Max war gegen sieben zu mir in die Wohnung gekommen, um mich abzuholen — pünktlich wie immer. Er hatte sich für das Familientreffen rausgeputzt, süß-aber-männlich in Wollpullover und Jeans. Sein rostrotes Haar (meins ist nur ein bißchen schöner) tanzte um seinen Nacken. In meinen Augen ähnelte Max mal wieder Darmak, dem Wikingergott mit dem Ressort »pure Sexualität«. Er war ganz Mann. Aus einer Laune heraus, ganz Mädchen zu sein, hatte ich einen lila Schlauch aus Lycra von Betsey Johnson angezogen. Er hob die Augenbrauen.
    »Du weißt ja, daß ich dieses Kleid wirklich toll finde«, sagte er diplomatisch, »aber es könnte sein, daß mein Großvater bei diesem Anblick einen Herzinfarkt erleidet, und es wäre für ihn der dritte.«
    Ich griff mit der Hand in den Schrank und bedeckte mich mit einer Wolljacke von Gordon Henderson.
    »Es könnte etwas gänzlich Unerwartetes geschehen«, warnte ich ihn und sprühte eine Nebelwand aus Parfüm. »Sie könnten mich nicht mögen.«
    Er sagte: »Wir lieben uns doch, also was macht das schon aus?« Woraufhin er Kotzgeräusche von sich gab. Ein Mann ganz nach meinem Geschmack.
    »Versprich mir nur eins«, sagte ich. »Wenn du siehst, daß ich mich länger als drei Minuten mit jemandem unterhalte, dann komm und rette mich.«
    »Wovor? Vor einem total netten Menschen, der sich total nett mit dir unterhält? Ich fange langsam an, beleidigt zu sein, Wanda.« Max half mir in meinen Donna-Karan-Mantel und klopfte mir sanft auf den Po. »Sie werden dich sehr mögen. Das tun sie jetzt schon.«
    »Die kennen mich doch gar nicht«, sagte ich.
    »Das macht nichts.« Max legte seine Hände auf meine Schultern und küßte mich sehr niedlich aufs Ohr. »Du verstehst das einfach nicht, das merke ich.« Es klang wie eine Drohung. Ich habe schon allein damit genug Probleme, daß eine Person mich liebt. Ich tat so, als wäre ich nicht nervös, küßte Otis zum Abschied auf die Schnauze, und dann gingen wir los. Auf dem Weg nach Canarsie wollte ich im Taxi noch einmal etwas sagen, aber Max machte mich mit seiner Zunge mundtot.
    Wir kamen zu spät. Max’ Familie saß an einem hufeisenförmigen Tisch im Barnacle Barge Family Restaurant. Er stellte mich einem Dutzend rothaariger Greenbaums vor. Darunter befanden sich Großeltern, deren Alter zwischen siebzig und scheintot lag, und drei kleine Neffen, die im Laufe des Abendessens eine merkwürdige Faszination hinsichtlich der Spannkraft meiner Locken entwickelten. Max und ich wurden an unsere vorgesehenen Plätze dirigiert. Ich saß zwischen seinen Eltern. »Sie ist ja so niedlich!« sagte Bev, Max’ Mutter. Sie hatte sehr viele und
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