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Mord zur besten Sendezeit

Mord zur besten Sendezeit

Titel: Mord zur besten Sendezeit
Autoren: Valerie Frankel
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fällen, trat ich vor und setzte Mamas kurzen Lauf an einen der unteren Wirbel von Benjamins Teenagerwirbelsäule. Sein Schaudern spürte ich über den Lauf der Pistole bis in meinen Arm. Eine Hitzewelle überflutete meine Brust. Das passiert mir immer, wenn ich meine Pistole gegen menschliches Fleisch halte. Ich bin mir nach wie vor nicht sicher, ob das ungesund ist. Auf gar keinen Fall aber werde ich Alex darüber befragen.
    Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und flüsterte Benjamin ins Ohr: »Beweg dich, Arschloch, oder ich spreng dir ein zweites rein.«
    Der Plan war einfach. Alex und ich wollten Benjamin nach der Schule abfangen und ihn verfolgen, bis es dunkel wurde. Wir hatten uns eine Liste von fünf möglichen Hinterhalten vorbereitet: zwei auf der East Side (sowohl Upper als auch Lower), zwei auf der West Side (ditto) und — dies war mein bevorzugter Standort — am Times Square. Wir hatten gehofft, ihn mit etwas Glück mit einem Khatbündel zu erwischen. Dieser Freitag war kein schwarzer. Das Schicksal servierte uns nicht nur das Times Square, sondern auch den Rauschgiftvorrat.
    Während wir ihn die Forty-fourth Street hinunterlotsten, stolperte er über ein verrottetes Hühnerbein. Alex ließ den Kragen der Patagoniajacke des Typen nicht los. Die Jacke schob sich daher nach oben, als das Kid hinfiel, und ein Ballen Khat landete auf der Straße. Ich hob ihn hoch und stopfte ihn in meine Handtasche. Das zusätzliche Gewicht tat meiner Schulter weh. Ich versah den Knaben mit einem leichten Tritt in den Hintern. Es machte mir keinen Spaß.
    Benjamin kam eilig wieder auf die Füße. Ich sagte: »Weitergehen.« Der Abfallcontainer war einen halben Block entfernt. Als wir näher herankamen, bemerkte ich, daß er gerade geleert worden war, und auch der Bürgersteig war mit Wasser abgespritzt worden. An jedem anderen Tag wäre ich davon begeistert gewesen. Alex warf Benjamin gegen den Container, und ich hörte einen merkwürdigen Rums. Ich hatte den Eindruck, das Geräusch wäre aus dem Inneren des Containers gekommen, und sah hinein. Und so war es auch: drinnen lag ein Obdachloser. Er hatte sich schutzsuchend vor dem Gerenne und Gedränge auf dem Broadway dorthin verkrochen und schlief. Soll er ruhig da schlummern, dachte ich.
    Ich hatte meine Pistole mittlerweile in Benjamins Nacken vergraben. Aufgrund der Art, wie er Alex an der Straßenecke angemacht hatte, ging ich davon aus, daß er versuchen würde, cool zu bleiben. Fehlanzeige. Er brach augenblicklich zusammen. Tränen liefen ihm aus den Augen wie das Wasser aus einem automatisch eingestellten Rasensprenger. Ich beugte mich mit der Pistole noch ein bißchen weiter vor und sagte: »Okay, Kid. Wir haben das Khat. Jetzt wollen wir dich.«
    »Ich sage euch alles«, rief er. »Alle meine Händler. Alle meine Kunden. Alles, was ihr wollt. Aber tut mir nicht weh.«
    Pathetisch. Oder vielleicht schien es mir nur so, weil diese ganze Sache genau so ein fauler Zauber war wie die All-Star-Ringkämpfe. Ich sagte: »Du glaubst doch nicht, daß ich deine Kunden brauche, Kleiner? Als ob ich nicht mehr Kunden hätte als alle anderen zusammen! Ich habe Kunden, mein Freund. Alle möglichen Kunden.« Ich hätte noch weitermachen können, aber Alex zog sich warnend einen Finger über den Hals. Ich lasse mich mitunter von der Dramatik einer Situation einfangen. »Aber du vertickst Khat in meinem Revier«, knurrte ich. »Jeder, der irgendetwas Härteres als Multivitamin-Kautabletten in meinem Revier verkauft... ist ein toter Mann.« Der arme Benjamin jaulte auf. Eine halbe Sekunde lang tat er mir leid, doch dann erinnerte ich mich, daß seine energische Mutter mich dazu angestellt hatte, seinen olympischen Traum wachzuhalten. Ich zielte also mit der Pistole und bereitete mich darauf vor, abzudrücken. Alex nahm das als Stichwort und bereitete sich auf den Stunt vor.
    Nach Alex’ und meiner Planung würde Benjamin jetzt sicher irgendeine Anstrengung unternehmen, die Pistole wegzuschieben.
    Der Typ schien jedoch vor Angst festgefroren zu sein. Wenn er aber nicht versuchte, die Pistole wegzuschieben, würde unser Plan nicht funktionieren! Ich sagte: »Du rotznasiger, schwächlicher, wildernder Loser, du wichsendes Arschloch. Du verdienst nichts besseres als... den Tod.« Ich dachte, das würde ihn vielleicht wieder aufwecken. Nichts. Alex versuchte, ihn aus seiner Traumverlorenheit wieder auf die Erde zurückzuholen, indem er an seiner Jacke zerrte. Noch mehr Gerumpel war aus
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