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Mord zur besten Sendezeit

Mord zur besten Sendezeit

Titel: Mord zur besten Sendezeit
Autoren: Valerie Frankel
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überbraten... Mrs. Moderne Mutter rutschte vor lauter Aufregung fast von ihrem Stuhl. Wir alle holen uns unsere Ersatzbefriedigung, wo auch immer wir sie finden können. Wenn sie willens war, das zu bezahlen, dann war mir das recht. Ich hatte meinen Mund schon aufgemacht, um den Auftrag anzunehmen, da sagte Alex: »Wir können das nicht tun, Mrs. Savage. Wir sind ein gewaltfreies Unternehmen.« Alex war seit der Operation Desert Storm unter die Friedensapostel gegangen.
    »Prima Witz, Alex«, sagte ich. Ich lachte lauthals und haute zum Zeichen meines Amüsements mit der Hand auf den Schreibtisch. Ich wandte mich Mrs. Savage zu, die mich etwas merkwürdig beäugte. »Wir würden uns freuen, die Furcht des Herrn in das Herz Ihres fehlgeleiteten Sohnes zu säen. Ich habe schon jetzt ein paar wunderbare Ideen.« Sie legte ihre langen, dünnen Finger unter ihr spitzes Kinn und überlegte. Ich sagte: »Ich bin selber Mutter — ich weiß, wie es Ihnen jetzt gehen muß.« Na und, also habe ich halt gelogen. Ich machte mein aufrichtiges Gesicht und behielt es ganze fünfzehn Sekunden bei.
    »In Ordnung«, sagte sie endlich. »Ich habe das Geld gleich mitgebracht.« Und sie reichte es mir über den Tisch: sechs große Riesen in einem Stapel, frisch von der Bank geholt.
    Wir hatten daraufhin versprochen, Benjamin am nächsten Tag von der Schule abzuholen.
    Das war heute. Freitag. Der Aderlaß des Wochenendes stand vor uns.
    Wir machten an der Ampelvor Nathan’s Famous an der Ecke Forty-fourth und Broadway unseren entscheidenden Schachzug. Da gibt es auf der Forty-fourth, etwas östlich gelegen, ein schönes stinkendes Stück Bürgersteig, auf dem ich mir schon ein paar Wildlederpumps verdorben habe in dem Müllsumpf, der in der Nähe des Abfallcontainers von diesem Nathans existiert. Es bestand zwar eine Chance, daß jemand die Straße entlangkommen könnte: Die größten Attraktionen dieses Häuserblocks sind die Town Hall, ein kleiner Konzertsaal und ein heruntergekommenes Restaurant mit Theater. Aber es war immer noch früh — die Sonne war gerade untergegangen — , und wirkliche Menschenmassen würden während der nächsten Stunde noch nicht unterwegs sein. Mein ausgesuchtes Plätzchen, an dem die verschiedenen Rinnsale aus den Abfallcontainern zusammenliefen, ist schlecht beleuchtet, und die Straße macht dort eine merkwürdige Kurve, wodurch man sie vom Times Square nicht einsehen kann. Nicht, daß irgendjemand dem Kid helfen würde, wenn zufällig doch ein solcher Irgendjemand sehen sollte, was da gerade passierte. Nicht, daß irgendjemand mir helfen würde, wenn ich jemals in eine Situation geriete, die nur annähernd so eklig wäre, wie es diese Müllsümpfe waren. Wie die meisten alleinstehenden Stadtindianerinnen habe ich gelernt, mir selbst zu helfen — und das vor allem, wenn ich zur Abendbrotzeit gerade bei Freunden vorbeischaue.
    Ich boxte Alex noch einmal in den Arm, und er ging voraus. Er schritt geschickt nach rechts aus, dann nach links, tanzte ein paar Schritte durch die entgegenströmende Menge hindurch und manövrierte sich an der Fußgängerampel — platsch — genau vor Benjamin. Etwas weniger elegant rammte ich ein paar Touristen mit meinen Ellbogen aus dem Weg und landete direkt hinter dem Jungen, wobei ich meine Pistole durch das strategisch geschnittene Loch im Futter meiner Innentasche steckte. Benjamin machte einen Schritt nach vorne, als die Ampel grün wurde. Alex bewegte sich nicht, und der Knabe prallte gegen seinen Rücken. Alex wirbelte herum, und selbst ich war über das Gift, das aus seinen Augen blitzte, erstaunt.
    »Rempelst du mich etwa an?« fragte er, und Feindseligkeit und Spucke sprühten ihm gleichermaßen aus dem Gesicht.
    Benjamin versuchte, den Hartgesottenen zu mimen. »Und hast du etwa ein Problem damit?«
    »Ich habe ein Problem damit, daß du keine Rücksicht auf die persönlichen Grenzen anderer Leute nimmst«, knurrte Alex. Wie das häufiger bei ihm vorkommt, wählte er auch in diesem Fall eine psychologisch tiefgreifende Formulierung.
    Benjamins Augenbrauen hoben sich fragend in die Höhe. Er schien genauso über Alex’ Erwiderung verwirrt zu sein, wie ich es war. Er versuchte noch einmal an ihm vorbeizukommen, aber Alex rührte sich nicht. Da ich fürchtete, er würde uns gleich enttarnen, indem er irgendetwas über das Fehlen eines wirklichen Wertesystems bei der heutigen Jugend sagte und darüber, daß sie im übrigen unfähig sei, moralische Urteile zu
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