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Mord Unter Segeln

Mord Unter Segeln

Titel: Mord Unter Segeln
Autoren: Christiane Franke
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Nicht nüchtern. Unbewohnt. Es gab zwar sichtbare Gebrauchsspuren, aber es fehlte jeglicher persönliche Touch.
    Christine zog ihren DIN-A4-Block an den Pumps vorbei aus ihrer Ledertasche und machte sich Notizen: »Fotos? Kissen? Persönliches?« Dann konzentrierte sie sich auf Oda und den Oldenburger Rechtsmediziner Dr. Krüger. Die beiden lieferten sich seit Jahren ein stummes Gefecht und eine Art Kleinkrieg, wobei Christine bis heute nicht verstand, weshalb sie nicht miteinander klarkamen. Gut, sie musste zugeben, dass Krüger mit seinem bubihaften Aussehen und der rasierten Glatze, von der Oda vermutete, dass er sie sich nur hatte rasieren lassen, um männlicher zu wirken, vor allem aber mit der Überheblichkeit, mit der er medizinische Fachbegriffe in den Raum warf, wirklich etwas gewöhnungsbedürftig war. Aber sie kam gut mit ihm zurecht. Im Moment beugten sich Oda und Krüger über die Tote, die auf der hölzernen Sitzbank auf der Steuerbordseite lag.
    »So hat Herr Fademrecht sie gefunden«, sagte Krüger und zeigte auf eine schmuddelige helle Wolldecke, die über dem Leichnam lag. Auch jetzt wirkte er wie ein großer Junge, der erwachsen spielte, doch Christine hatte seine Kompetenz schätzen gelernt. »Zugedeckt.«
    »Ja, das hat er mir erzählt«, sagte Christine.
    »Na, der hat ja echt Nerven«, sagte Oda. »Ich glaub, nicht mal ich wäre beim Anblick der Blutreste oben noch ins Schiff runtergestiegen.«
    »Da kann man mal sehen, was männliche Neugierde ausmacht«, stellte Christine amüsiert fest und bat Krüger: »Dann zeigen Sie uns doch, was Fademrecht zu sehen bekommen hat.«
    Wie in einer Theatervorstellung hob der Rechtsmediziner die Decke. »Bitte schön.«
    Der Blick auf den unbekleideten weiblichen Körper war nun frei.
    »Ach, du grüne Neune«, entfuhr es Christine. Der gesamte Oberkörper und die Arme der Frau waren mit Stichverletzungen übersät. Dennoch war alles penibel sauber. Keine Blutspuren auf der Haut, keine Blutlachen unter dem Körper. Ihre Hände waren wie zum Gebet vor der Brust gefaltet, und die Stichwunden hätten auch Markierungen für einen Filmdreh sein können. Gäbe es nicht die verwischten Blutspuren oben in der Plicht, an der Leiter und hier unten auf dem Kajütenboden, würde man denken: Da war nichts.
    »Ja, wir haben es hier mit einem klassischen Beispiel von Overkill zu tun«, sagte Krüger.
    Oda rollte mit den Augen. »Overkill.«
    »Übertötet«, erklärte er ungeachtet der Tatsache, dass sowohl Oda als auch Christine das natürlich wussten. »Eine überaus emotionale Tat, es wurde noch weiter zugestochen, als die Frau schon tot war. Übertötet eben. Overkill.«
    »Wie kommt sie hierher?«, fragte Christine schnell, bevor Oda zu einer scharfen Antwort ansetzen konnte. »Oben deutet alles darauf hin, dass jemand die Tat im wahrsten Sinn des Wortes ›wegwischen‹ wollte. Warum liegt sie dann hier und ist nicht einfach über Bord geworfen worden?«
    »Das müssen Sie herausfinden.« Krüger erhob sich, wobei er etwas ächzte und die linke Hand in den Rücken stemmte. Offenkundig hatte er Probleme mit der Wirbelsäule. »Jedenfalls wurde die Frau erst nach der Tat hier heruntergeschafft, was nicht leicht gewesen sein dürfte. Die Obduktion wird zeigen, ob sie die Leiter einfach heruntergeworfen oder anderweitig herunterbugsiert wurde. Anschließend hat man sie ausgezogen, gewaschen und gekämmt, die Hände gefaltet und sie so drapiert, wie wir sie gefunden haben.«
    »Was ist mit ihren Klamotten? Habt ihr die irgendwo gefunden?«, fragte Oda.
    »Nein. Davon hat Manssen jedenfalls nichts gesagt.« Krüger zeigte sich verärgert über die Unterbrechung. »Was ich noch sagen wollte: Die Art, in der uns die Leiche präsentiert wird, zeugt zweifelsfrei von einem Undoing.« Bei diesem Wort sah er Christine an, wandte den Kopf dann jedoch zu Oda und übersetzte: »Eine Art Wiedergutmachung.«
    In diesem Moment bewunderte Christine ihre Kollegin dafür, dass sie nicht explodierte.
    ***
     
    Mit einem mehr als mulmigen Gefühl zog Horst Schöneberg den Reserveschlüssel aus dem Versteck hinten in der kleinen Gartenlaube, dort, wo Simone die Inlineskates ihrer Familie aufbewahrte. Er hatte Edeltraud mit der Aufgabe, noch etwas Langeoogtee als Mitbringsel im Teeladen von Wiebke Lorentzen zu kaufen, fortgeschickt. Und so wie er seine Gattin kannte, würde Edeltraud die Zeit gern in Gesprächen und beim Schnüstern in den anderen Geschäften vertrödeln. Sicherlich käme
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