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Mord Unter Segeln

Mord Unter Segeln

Titel: Mord Unter Segeln
Autoren: Christiane Franke
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gemacht hätte. Auch versuchte sie nicht, die Sache schönzureden. Sophie hatte einen Anspruch darauf, dass sie ehrlich mit ihr umging, immerhin ging es hier gleichermaßen um ihr Leben. »Natürlich ist das nicht richtig, denn es ist ja gelogen. Aber in diesem Fall geht es nicht um eine Lüge. In diesem Fall geht es um zwei Menschenleben. Um deines und das deiner Tante. Und besonders für dein Leben würde ich noch mehr lügen.« Sie streckte die Hand aus. »Gibst du mir mal dein Telefon? Oder die Handynummer deiner Tante?«
    »Ich weiß nicht.« Sophie zögerte.
    »Sophie. Bitte. Ich glaube, wir haben nicht mehr viel Zeit.«
    ***
     
    Als ich wieder zu mir komme, flimmert um uns herum die Nordsee dunkel im Mondschein. Alles ist still. Totenstill.
    »Simone?«, frage ich flüsternd, doch sie antwortet nicht. In meiner Hand liegt noch immer das Messer, das wir zum Brot- und Schinkenaufschneiden verwendet haben. So wie früher. So wie jedes Mal, wenn wir mit den Eltern auf See Probleme besprochen haben. Es gab Brot und Schinken. Beides hat Papa frisch an Bord aufgeschnitten. Zu Hause gab es das Brot in Scheiben, Mama hat es direkt beim Bäcker schneiden lassen. Auch Schinken am Stück gab's nur an Bord. Darum hatte ich beides auch für heute besorgt. Ein Teil von mir wollte so gern an die Familienwärme von früher anknüpfen. Wir haben doch nur noch uns. Simone, Ilka und Sophie, die nur deshalb weiterleben kann, weil ich ihre Tante bin. Mein Leben hat also doch einen Sinn.
    »Simone?« Ich lege das Messer beiseite. Warum hab ich kein Brot in der Hand? Aus dem Inneren der »Luzifer« dringt Licht nach außen. Jetzt sehe ich meine Schwester. Sie liegt, nein, sie hängt irgendwie auf der Bank mir gegenüber. Schlagartig wird mir bewusst, was ich getan haben muss. Das helle Jaulen, das jetzt ertönt, stammt offensichtlich aus meiner Kehle. Ist ja kein anderer da, der schreien kann.
    Der Mond tritt erbarmungslos hinter einer Wolke hervor. Ich sehe Simone. Meine tote kleine Schwester. Für einen Moment bin ich dankbar, dass das Licht so diffus ist. Dass ich nicht wirklich sehen kann, was ich getan habe.
    »Das wollte ich nicht. Simone, das wollte ich nicht.« Immer wieder sage ich diese Sätze, während ich automatisch Wasser hole, Lappen und Waschtücher. Es muss ein seltsames Bild sein, wie ich im schwachen Licht der Kajüte, das vom Mond unterstützt wird, meine Schwester ausziehe und wasche. »Alles wird gut«, sage ich immer wieder und streichele ihr über das Gesicht. Alles wird gut. Ihre Klamotten werfe ich über Bord. Ich habe den Autopiloten auf Kurs »Nassauhafen« eingestellt und die Geschwindigkeit gedrosselt, es kann nichts passieren. Ich wechsele das Wasser, kippe das alte außenbords, hole eine Scheuerbürste und scheuere. Scheuere, was das Zeug hält. Ich hab nichts getan, alles ist gut, alles ist gut, es bleiben keine Spuren, denn ich habe nichts getan. Simone ist nur müde. Als meine Hände vom Scheuern fast wund sind, schleppe ich Simone nach unten. Sie soll nicht hier oben liegen, sie ist ja nackt, sie friert sonst. Ihr Körper ist ganz schön schwer. Doch irgendwie schaffe ich sie in die Kajüte hinunter. Sie wird morgen blaue Flecke haben, denke ich traurig, denn ich habe bei aller Vorsicht nicht vermeiden können, dass sie sich stößt. Jetzt aber lege ich sie auf die Bank. Aus dem Bad hole ich die Bürste. Kämme ihr Haar. Lächelt sie? Ihre Hände falte ich auf ihrer Brust. Und breite die Decke über sie. Sie soll doch nicht frieren. Es ist nicht mehr weit bis zum Nassauhafen.
    ***
     
    Sichtlich aufgewühlt eilte Peter Gerjets an Christines Seite zurück in die Pension. »Lassen Sie mich mit meiner Tochter reden«, bat er.
    Christine nickte.
    Oda telefonierte, als sie den Raum betraten. Nein, sie versuchte zu telefonieren. Sie hielt das Telefon ans Ohr und biss sich auf die Unterlippe, sprach jedoch nicht. Sophie stand wie ein Häufchen Elend neben dem Fenster, Dirks machte einen betretenen Eindruck. »Sie geht nicht mehr ran«, sagte er.
    »Wir wissen, wo sie stecken könnte«, erwiderte Christine, während Peter Gerjets zu seiner Tochter ging. Er legte ihr beide Hände auf die Schultern und sah sie ernst an. »Weißt du eigentlich, wo Mamas Oma begraben liegt?«
    Sowohl Sophie als auch Oda und Dirks guckten ihn an, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank.
    »Uroma Gesine?«
    »Ja.« Peter Gerjets nickte.
    »Die liegt doch auf dem Inselfriedhof. Irgendwo in der Nähe von Lale
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