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Mord und Brand

Mord und Brand

Titel: Mord und Brand
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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Göttin… Von der hab ich viel g’lernt.«
    Die Greislerin grinste.
    »Dass Sie die Bem 14 verteidigen, ist mir eh klar. Schließlich heißen S’ ja jetzt auch Nechyba.«
    Aurelia schnappte nach Luft, doch bevor sie etwas erwidern konnte, lenkte Lotte Landerl ein:
    »Nix für ungut– wenn die Bem in unserem Staat alles so gut machen würden, wie ihre Köchinnen kochen, dann wär’ mir um Österreich nicht bange. Leider sind die tschechischen Abgeordneten im Reichsrat nicht so tüchtig. Das Einzige, was die dort tun, ist streiten, randalieren und alles blockieren. Und die Unsrigen sind auch nicht g’scheiter. Statt dass sie etwas gegen die Teuerung und gegen all die anderen Missstände unternehmen, streiten sie untereinander und bringen nix weiter.«
    Aurelia Nechyba seufzte, packte die Einkäufe in ihren Korb, zahlte, grüßte und ging. Die Greislerin aber war beim Politisieren so in Fahrt gekommen, dass sie ihr nachrief:
    »Und noch etwas sag’ ich Ihnen: Vom Parlament ist nichts zu erwarten, denn dieses gehört besser nach Steinhof 15 !«
     
    Kaum war sie draußen auf der Gasse, da fiel Aurelia ein, dass sie für die Brotsuppe noch zusätzlich Zwiebeln benötigte. Mit einem tiefen Seufzer ging sie, den ziemlich schweren Einkaufskorb mit sich schleppend, noch einmal zum Naschmarkt hinunter. An der Kreuzung Getreidemarkt und Linke Wienzeile bog gerade ein Straßenbahnzug mit quietschenden Rädern in ziemlich hohem Tempo links in die Wienzeile ab. Dabei rammte er einen von Pferden gezogenen Bierwagen. Es krachte gewaltig. Die Straßenbahngarnitur schleifte das Fuhrwerk ein Stück mit. Die Pferde wieherten ängstlich. Kutscher und Bierführer wurden vom Kutschbock geschleudert. Bierkisten fielen scheppernd zu Boden. Flaschen zersplitterten. Aurelia Nechyba ließ vor Schreck fast ihren Einkaufskorb fallen. Zitternd bekreuzigte sie sich, atmete tief durch und murmelte:
    »Mir scheint, nicht nur unsere Politiker gehören nach Steinhof … «
     
     
     
    VI.
    Eisiger Wind fegte über das winterlich düstere Wien. Als die Reste des Tageslichts den Schatten der Nacht wichen, gesellten sich Schneeflocken zu den Sturmböen. »Verdammt sollt ihr alle sein, die ihr jetzt daheim vor einem warmen Ofen sitzt«, murmelte Oprschalek in seinen nunmehr schon recht stattlichen, weil seit über zehn Tagen nicht mehr rasierten Bart. Vor fast zwei Wochen hatte er in Folge eines eskalierenden Ehestreits seine Frau erschlagen und danach die Wohnung angezündet. Nicht dass er es bereuen würde… Nein, seine immer nur keppelnde 16 Alte hatte das schon verdient. Wobei er ihr in seiner Wut ja nur eine kräftige ›Verkehrte‹ ** gegeben hatte. Dass sie umfiel und dabei mit dem Kopf auf dem gusseisernen Kanonenofen aufschlug, hatte er nicht beabsichtigt. Das blutende Loch in ihrem Schädel hatte ihm zuerst Angst gemacht. Nachdem er aber mehrere Schlucke aus der Schnapsflasche gemacht hatte, brüllte er: »Ich pfeif’ d’rauf! Auf die Alte, auf die Wohnung, auf mein ganzes, hundsmiserables Leben!« Dann hatte er die Petroleumlampe genommen und sie voll Zorn auf seiner bewusstlos daliegenden Frau zertrümmert. Als die Flammen sich an ihren Kleidern hochfraßen, war er in die Küche gegangen und hatte dort das restliche Petroleum geholt und wie von Sinnen in der ganzen Wohnung verschüttet. Plötzlich war alles in Flammen gestanden und er hatte seine liebe Not gehabt, rechtzeitig die Wohnungstür zu erreichen und zu flüchten. Ein böses Grinsen verzerrte sein Gesicht, als er daran dachte, dass er damals um ein Haar selbst verbrannt wäre. Heute, in dem vermaledeiten Schneesturm, würde ihm ein bisschen Wärme guttun.
     
    Endlich sah er vor sich im fahlen Licht einer Gaslaterne das ebenerdige Gebäude, an dessen Stirnseite groß ›Wärmestube gestiftet von Moritz Freiherrn Königswarter‹ prangte. Da die Eingangstür verschlossen war, musste er läuten. Nach einiger Zeit hörte er Schritte, ein massiger, älterer Kerl öffnete die Tür und musterte ihn kritisch.
    »Hast noch einen Platz für mich?«
    »An und für sich sind wir voll… aber von mir aus… komm’ rein und dräng dich irgendwo dazu.«
    Durch einen kurzen Gang wurde Oprschalek in einen großen, dämmrig beleuchteten Raum geführt, in dem es warm und stickig war. Die Ausdünstungen von rund hundert Menschen, die hier dicht gedrängt auf langen Bänken an groben Holztischen saßen, nahmen ihm fast den Atem. Aus den Augenwinkeln sah Oprschalek die Pförtnerklause, in der
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