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Mord und Brand

Mord und Brand

Titel: Mord und Brand
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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ehemals stattliche Nase ein blutiger Brei. Oprschalek zischte: »So wird es euch allen ergehen, euch Knechten des Kapitalismus…«. Angewidert wischte er die von den Haaren fettigen Finger am Gewand des Opfers ab. Dann widmete er sich dem Werkzeugkasten, den er leise und behutsam aufklappte. Was er sah, entzückte ihn: darin befanden sich unter anderem ein kurzer massiver Hammer– ein sogenanntes Maurerfäustel– sowie ein Stemmeisen. Genau das war es, was er für sein Vorhaben brauchte. Als er um sich blickte, entdeckte er, an einen Fuß des Schreibtisches gelehnt, eine alte, abgewetzte Ledertasche. Er öffnete sie, nahm ein schmutziges Menagereindl 18 sowie einen benutzten Esslöffel heraus und gab stattdessen die beiden Werkzeuge hinein. Dann untersuchte er die Hosentaschen seines Opfers. Er fand eine alte, labbrige Brieftasche. Geldscheine waren zwar keine drinnen, aber immerhin Münzen im Wert von rund 3 Kronen. Grinsend steckte er die Geldbörse ein, schnappte sich die Ledertasche und trat hinaus ins Schneetreiben.
     
    Er stapfte durch den rutschigen Schnee, der nun Gehsteige und Straßen bedeckte. Feuchtigkeit sickerte durch seine alten, abgetretenen Schuhe, der Wind pfiff unbarmherzig, und er hätte viel für einen wärmenden Schal gegeben. Da er keinen Mantel besaß, hatte er den Kragen seines Sakkos hochgestellt und den Kopf zwischen den Schultern eingezogen. So hastete er die stille, menschenleere Erdbergerstraße entlang, von tausenden wirbelnden Schneeflocken umtanzt. Plötzlich hörte er ein Geräusch hinter sich: Ein leises Summen und Quietschen. Als er sich umdrehte, sah er in einiger Entfernung die Lichter einer sich nähernden Tramway der Linie J. Plötzlich kam ihm eine Idee. Der J-Wagen würde ihn sicher und trocken nahe an sein Ziel in Hernals bringen. Und für den Fahrschein hatte er ja das Kleingeld seines Opfers in der Tasche. Er hatte dies noch nicht ganz zu Ende gedacht, als er schon losrannte. Die nächste Haltestelle war gut 200 Meter entfernt. Schnaufend, rutschend und fluchend schaffte er es, die Haltestelle vor der Straßenbahn zu erreichen und dem Fahrer ein Zeichen zu geben. Dieser bremste unter Einsatz von ausgestreutem Schotter das aus Holz, Stahl und Glas bestehende Gefährt. Ein Schaffner öffnete ihm die Schiebetür und er sprang die Stufen hinauf, hinein ins trockene und warme Innere.
     
    Gut durchgewärmt, stieg er in der Neulerchenfelderstraße aus, ging fünf Minuten und war an seinem Ziel: Vor ihm lag die Herrenkonfektionsfabrik Lischauer. Für den alten Lischauer, diesen gottverdammten Ausbeuter, hatte Oprschaleks Schneiderei gearbeitet. Und obwohl sie immer erstklassig genähte Herrenanzüge, Hosen, Sakkos und Mäntel abgeliefert hatten, hatte der alte Lischauer stets irgendeine Kleinigkeit beanstandet und seinem Meister nie die vorher vereinbarte Summe ausbezahlt. Als Oprschalek daran dachte, hatte er bereits Maurerfäustel und Stemmeisen aus der Ledertasche geholt. Ohne einen Gedanken an etwaige Passanten, die die Sicherheitswache rufen könnten, zu verschwenden, bearbeitete er mit seinen Werkzeugen die kleine Eingangstür, die sich neben dem Hauptportal befand. Krachend splitterte das Holz des Türstocks, das Schloss blieb unversehrt im aufschwingenden Türblatt hängen. Oprschalek trat ein, orientierte sich kurz und ging durch einen Gang in den Hof und dann weiter zum Lager. Auch hier musste er eine Tür aufbrechen. Dann stand er vor den langen Reihen erstklassig gearbeiteter Herrenkonfektion. Neugierig wandelte er durch das dunkle Lager, befühlte Stoffe und Nähte, nahm den einen oder anderen Anzug von der Stange und probierte schließlich einen Wollstoffanzug samt Weste, der ihm auf Anhieb passte. Grinsend hob er das Bündel seiner abgetragenen Kleidung auf, suchte sich noch einen warmen Mantel aus und ging dann über den Hof zurück ins Hauptgebäude. Dort stieg er in den ersten Stock. Das Büro des alten Lischauer war zwar auch verschlossen, doch gegen Oprschaleks Hammer und Stemmeisen wehrte sich die Eingangstür nur kurz. Zielstrebig ging er auf Lischauers Schreibtisch zu, öffnete ihn, nahm die Handkasse heraus, brach sie auf und lächelte zufrieden. Na also, hier fand er nicht nur Münzen, sondern auch einige 10- und 20-Kronen-Scheine sowie einen 100-Kronen-Schein. Er steckte alles in die Innentasche seines neuen Anzugs, suchte und fand dann einen Petroleumkanister, mit dem die Petroleumlampen im Büro befüllt wurden. Er zertrümmerte alle Lampen und sah
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