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Mord und Brand

Mord und Brand

Titel: Mord und Brand
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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Teuerungskundgebung dabei zu sein?«
    Nechyba lächelte neuerlich. Er bestellte zwei französische Cognacs. Als diese gebracht wurden, stieß er mit Goldblatt an. Dann sagte er ernst:
    »Mein Glück war, dass ich zwei Tage vor dem 17. September beim Dr. Pamer war und der mich belobigt hat. Da hab’ ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt und ihn gebeten, am 17. September keinen Dienst versehen zu müssen. Als Grund hab ich meine Aurelia vorgeschoben, weil sie ja nur am Sonntag frei hat. Das hat der Pamer akzeptiert, und so war ich Gott sei Dank bei diesem ganzen Schlamassl nicht dabei.«
    Goldblatt kratzte sich den kahlen Schädel, nahm einen Schluck Cognac und sagte:
    »Dafür haben Sie dann am Montag Dienst gehabt, und da hat man Sie gleich raus nach Ottakring zu dem Frauenmord geschickt.«
    »Richtig. Da haben s’ mich rausgeschickt. Und dort hab ich ja die grauenhaft abgeschlachtete Steffi Moravec gefunden 150 . Bei dieser Ermittlung tappe ich völlig im Dunkeln. Ich hab’ in den letzten Wochen gemeinsam mit dem Kommissariat Ottakring Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um auch nur einen Hauch von einer Spur zu finden. Aber da gibt’s nichts. Absolut nichts. Die Bestie, die das getan hat, hat sich offenbar in Luft aufgelöst…«
    Wiederum kratzte sich Goldblatt am Schädel, nahm den letzten Schluck Cognac und sagte dann vorsichtig:
    »Vielleicht halten Sie mich für verrückt, Nechyba. Aber ich hab’ da so eine Theorie bezüglich der ermordeten Moravec…«
    »Schießen S’ los Goldblatt! Spannen S’ mich nicht auf die Folter…«
    »Als ich über diesen Mord berichtet hab, sind mir sehr viele Dinge, wie zum Beispiel die ausgeweideten Innereien, bekannt vorgekommen. Ich hab jetzt zwei Wochen lang darüber nachgegrübelt. Bis mir eines Nachts plötzlich die Erleuchtung gekommen ist. Dieses Tatmuster gab es schon einmal: Prostituierte, die bestialisch aufgeschlitzt und verstümmelt worden sind. In England vor 20 Jahren…«
    Nechyba wurde blass und murmelte:
    »Um Gottes willen! Sie haben recht. Jack the Ripper ist genauso vorgegangen…«
    Goldblatt hob abwehrend die Arme und fügte hinzu:
    »Das ist nur ein Bauchgefühl. Reine Intuition. Beweisen kann man das wahrscheinlich nie. Aber um noch einmal auf den 17. September, den Blutsonntag, zurückzukommen: Warum haben Sie partout an diesem Tag nicht Dienst haben wollen? Sie machen doch auch sonst hin und wieder Sonntagsdienste…«
    Goldblatt beobachtete, wie Nechyba einen Schluck vom Cognac nahm und ihn lange im Mund kreisen ließ. Erst als die ölige Flüssigkeit seinen Schlund hinabgeglitten war, antwortete er:
    »Ich hab’ vom ersten Augenblick an, als ich von der Kundgebung gehört hab’, Sorge gehabt, dass da was passiert. Dass den Demonstranten der Geduldsfaden reißt und dass sie rabiat werden. Schaun Sie sich den Oprschalek, den Schottek und den Njegusch an! Alles bis vor Kurzem brave Leute, die sich irgendwie durchs Leben gewurstelt haben. Bis sie zu einem Punkt gelangt sind, an dem sie vor lauter Verzweiflung nicht mehr weitergewusst haben. Der erste ist Brandstifter und Gewalttäter geworden, der zweite Brandstifter und der dritte Attentäter. Aber nicht, weil sie von Grund auf verdorbene Menschen waren, sondern weil s’ verzweifelt waren. Weil die Zeit, in der wir leben, einfach zum Verzweifeln ist…«
     
     
    E N D E
     
     
     
     

Glossar
    allwäu immer
    amoi einmal
    andudelt betrunken
    ausse heraus, hinaus
    anschmieren belügen
    Bahöö Aufruhr, Wirbel
    barabern arbeiten, malochen
    Beisl Kneipe, Gasthaus
    Belletage Bestes Wohngeschoß, meistens im 1.Stock gelegen
    Bem der Böhme / die Böhmen
    Blitzgneißer heller Kopf
    ditschkerln koitieren
    Einbrenn Mehlschwitze
    Erdäpfel Kartoffeln
    Erdäpfelpüree Kartoffelbrei, Kartoffelstock
    Einedrahrer Angeber
    Fallot Gauner
    Flammóh Hunger
    Fleischer/Fleischhauer Metzger
    Fratschlerin Marktfrau
    genant peinlich
    Gfraßt / Grfaßtsackl schlechter Mensch,
    Gauner Halunke
    Glumpert wertloses Zeug
    Greisler(ei) Tante-Emma-Laden
    Greislerin Besitzerin eines Tante-Emma-Ladens
    Gretzl nahe Umgebung, städtisches Viertel
    Griasler Unterstandsloser
    G’stiß geben kündigen, eine Beziehung beenden
    G’stopfter wohlsituierter Mensch
    Gewurl Gewimmel
    Gummiradler Kutsche mit Gummibereifung
    Habe die Ehre! Altwiener Gruß bzw. Ausruf der Verwunderung
    Hackler Arbeiter
    Hack’n Arbeit
    hack’nstad arbeitslos
    Häfen Gefängnis
    Haftln Verschlusshäkchen
    Häusl WC
    He Polizei
    Hendl/Henderl
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