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Mord und Brand

Mord und Brand

Titel: Mord und Brand
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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verströmte.
    »Der Oprschalek, dieser gottlose Sozialist, hat seine Frau eiskalt umgebracht. Wissen S’, wie oft die arme Seele da bei mir im Geschäft g’standen ist und g’rert 9 hat? Da, wo Sie jetzt stehen, genau da, ist sie auch g’standen und die Tränen sind ihr nur so runterg’ronnen. Weil der Oprschalek, das ist ein ganz ein Unguter. Ein richtiges Viech! Wenn der in der Nacht vom Wirtshaus heimkommen ist und so richtig andudelt 10 war, hat er sie immer g’haut. Mein Lieber, die hat ganz schön was einstecken müssen, die Oprschalek… bevor er S’ schlussendlich erschlagen hat. Ich sag Ihnen was: Für die arme Seele war das direkt eine Erlösung!«
    »Na, aber jetzt versündigen Sie sich!«, protestierte Aurelia Nechyba. »Jede Kreatur, jedes Graserl, jedes Haserl und auch jedes Menschenkind ist froh, dass es lebt.«
    »Ja, eh! So hab ich’s ja auch nicht gemeint. Ich hab halt nur daran gedacht, wie die Oprschalek dag’standen ist in meinem Geschäft und wie’s mir ihre blauen Flecken zeigt hat. Und das war nicht nur ein oder zwei Mal. Das hat in den letzten Jahren schon zum Einkaufen bei mir dazugehört: Das Herzeigen der blauen Flecken. Einmal, mein Gott war das genant 11 , hat sie sich im Sommer die Bluse aufgeknöpft und mir ihre Rippen zeigt. Unter ihrem hängenden Busen war eine richtig gebrochen. Das hat man mit bloßem Aug g’sehen. Die hat ihr wochenlang wehgetan. Nur am Rücken hat’s schlafen können, die arme Seele. Aber jetzt ist sie dafür sicher bei unserem Herrgott im Himmel oben…«, die Greislerin bekreuzigte sich und fragte dann unvermittelt: »Also, was hätt’ma denn gern, liebe Frau Aurelia?«
    »Ein Kilo Mehl bräuchte ich… zwei Muskatnüsse und sechs Eier. Ja, und ein Viertelkilo Butter bräucht’ ich auch!«
    Während die Greislerin in der Tiefe ihres Geschäftes verschwand, streifte Aurelias Blick über die Reihen von Flaschen und Konservengläsern, die vor ihr aufgebaut waren, und dann weiter über Erdäpfelsäcke, viereckige Blechkannen, Kakao- und Teebüchsen und Fässer mit Speiseöl, Gurken und Heringen. Selbst die Decke des Lokals diente der Aufbewahrung von Waren: Dort hingen Würste, geräucherte Fische, Speckseiten, Feigenkränze sowie Bündel von getrockneten ungarischen Kirschpaprikaschoten.
    »Was koch’ ma denn heut’ Gutes?«, wollte die neugierige Landerl wissen– nicht ohne den schmeichelnden Zusatz zu vergessen: »Von Ihnen als Meisterköchin kann man ja immer ’was lernen…«
    »Ich hab’ am Naschmarkt unten einen schönen Kohlkopf und einen Karfiol 12 gefunden. Viel ist da ja jetzt im Winter nicht los. Das Wintergemüse halt…«
    »Und was mach’ ma damit?«
    »Nachdem in Wien endlich wieder einmal Rindfleisch erhältlich ist, habe ich beim Fleischhauer ein halbes Kalb für die Familie Schmerda zur Seite legen lassen. Und deshalb gibt’s heute ein in Kohlblätter gewickeltes Kalbszüngerl mit Karfiol.«
    »Na, das klingt ja köstlich…«, seufzte die Landerl. »Wenn ich selbst nur mehr Zeit zum Kochen hätte. Aber so mach’ ich halt immer etwas Schnelles. Eine Einbrennsuppe oder einen gekochten Kohl mit ein paar Würsteln. Und weil Sie das vorher erwähnt haben: Fleisch ist ja wirklich Mangelware in unserer Stadt geworden. Und wenn man ein schönes Stückerl erwischt, dann ist es sauteuer. Das verdanken wir alles nur den Ungarn und ihrem depperten Parlament. Seitdem die die Rindfleischlieferungen zu uns nach Wien blockieren, kann man sich das ganze Fleischzeug ja fast nicht mehr leisten. Abgesehen davon, dass man eh kaum eines bekommt…«
    »Die letzte Lieferung von tiefgekühltem argentinischen Rindfleisch hat die Versorgungslage wenigstens ein bisserl verbessert. Davor hab ich mir wirklich schon jeden Tag den Kopf zerbrochen, was ich meiner Herrschaft auf den Tisch stellen soll. Weil der Hofrat Schmerda ist sehr heikel beim Essen. Das ist ein richtiger Gourmet…«
    »Darum hat er ja auch Sie als Köchin…«
    »Gehen S’, schmeicheln S’ mir net so. Das ist mir peinlich.«
    »Na, immerhin haben Sie das Kochen in einem erzherzoglichen Haushalt gelernt. Im Gegensatz dazu sind die meisten anderen Wiener Köchinnen aus Böhmen zugewanderte Landpomerantschen 13 , die nur daheim bei ihren Müttern in die Kochtöpfe geschaut haben.«
    »Sagen S’ nix gegen die böhmischen Köchinnen! In dem erzherzoglichen Haushalt war so eine Böhmin die rechte Hand des Küchenchefs. Die hat zwar kaum Deutsch können, dafür hat S’ ’kocht wie eine
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