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Mord und Brand

Mord und Brand

Titel: Mord und Brand
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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›Stadt Paris‹ das Flair von Marktfahrern, Kutschern, kleinen Gewerbetreibenden, Tagträumern und Taugenichtsen. Doch anders als in den Lokalen rund um den Naschmarkt kannte ihn hier keine Menschenseele. Außerdem hatte er es von seinem Schlafplatz– er war seit gestern Bettgeher bei einer Amtsratswitwe in der Neustiftgasse– nicht weit hierher. Das Geld, das er bei dem Einbruch in der Konfektionsfabrik erbeutet hatte, versprach ihm für’s Erste ein sorgloses Leben. Das Lokal war ziemlich gut besucht, doch nachdem er sich umgeschaut hatte, fand Oprschalek ein gemütliches Platzerl an einem Tisch an der Wand. Er teilte den Tisch mit einem kräftig gebauten Bäckermeister, der als Gabelfrühstück mit großem Appetit ein Gulasch verschlang und mit vollem Mund nuschelte:
    »Wenn man so wie ich um vier in der Früh zum Arbeiten anfängt, hat man am Vormittag einen Mordshunger…«
    »Lassen Sie es sich gut schmecken! Wie ich früher noch g’arbeitet hab’, hab’ ich um die Zeit meistens a schon an Hunger g’habt.«
    »Ah, der Herr gehen nicht mehr arbeiten?«
    Oprschalek grinste und dachte sich: ›Das G’wandl macht’s Mandl‹. In der feinen, neuen Schal’n 21 vom Lischauer wirkte er wie ein besserer Herr. Sein neues gepflegtes Äußeres hatte ihm auch geholfen, bei der Witwe einen Schlafplatz zu finden. Dort standen ihm sogar ein eigenes Lavoir und ein kleiner Spiegel zur Verfügung, sodass er sich täglich rasieren konnte.
    »Seit einiger Zeit nicht mehr. Seit Kurzem bin ich Privatier.«
    »Herrgott!«, seufzte der Bäckermeister, »so gut sollte es mir auch einmal gehen. Darf man fragen, wie das gekommen ist? Haben S’ im Zahlenlotto gewonnen? Oder gar eine Erbschaft g’macht?«
    »Eine Erbschaft… ja, so könnte man es bezeichnen«, antwortete Oprschalek grinsend. Mit Genugtuung dachte er an die volle Handkasse in der Konfektionsfabrik. Gleichzeitig rechnete er kurz nach, wie lange das Geld wohl reichen würde. Und er begann zu überlegen, wann und wo er das nächste Mal einbrechen und Feuer legen könnte. Als das von ihm bestellte Krügel Bier kam, nahm er einen langen Schluck, dem ein zufriedenes »Ahhh!« folgte. Dann schlug er die Zeitung auf und blätterte voll Spannung zu dem Feuerteufel-Artikel. Er las ihn mehrere Male, nahm dazwischen immer wieder einen Schluck Bier und ließ schließlich das Blatt auf den Tisch sinken. Mit der ›Rezension‹ seiner Tat war er außerordentlich zufrieden.
    »Jetzt hamma zu allem anderen Unglück auch noch einen Feuerteufel in Wien…«, nuschelte der Bäckermeister, während er mit einem Elfenbeinzahnstocher, den er aus einer kleinen silbernen Hülle gezogen hatte, die Faserreste des Gulaschfleisches aus den Zahnzwischenräumen entfernte.
    »Ja, ja, der Feuerteufel…«, sinnierte Oprschalek, »der wird, und das spür’ ich im Blut, keine Ruhe geben. Der wird bald wieder zuschlagen. Der kann nicht anders.«
    »Das hab’ ich a schon g’hört. Dass die Brandstifter, wenn’s einmal zum Zündeln ang’fangen haben, nicht mehr aufhören können…«
    Oprschalek wurde der Antwort enthoben, denn in diesem Augenblick betrat der Polizeiagent Drabek die Gastwirtschaft ›Zur Stadt Paris‹. Er bestellte an der Schank ein Seiterl Bier und eilte dann in Richtung WC. Geistesgegenwärtig hatte sich Oprschalek die Zeitung geschnappt und die Nase ganz tief hineingesteckt. Drabek konnte solchermaßen, falls er überhaupt mit seinem enormen Harndrang etwas anderes als die Pissoirtür im Blick hatte, nur die Hände und ein bisschen was von Oprschaleks Schädel sehen. In dessen Hirn überschlugen sich nun die Gedanken. Was sollte er tun? Schleunigst zahlen und das Lokal verlassen? Oder sich weiter hinter der Zeitung verstecken und warten, bis Drabek sein Seiterl getrunken hatte und verschwand? Oder aber…? Er stand ruckartig auf und ging ebenfalls aufs WC. Dort trat er hinter Drabek, der an einer Pissoirmuschel stand und sich gerade den Hosenladen zuknöpfte. Mit einem wuchtigen Schlag stieß er Drabeks Gesicht gegen die Wand. Der Polizeiagent stöhnte auf und sackte bewusstlos zusammen. Oprschalek packte ihn unter den Schultern und schleppte den Bewusstlosen in das freie Klokammerl. Dort positionierte er den reglosen Körper so, dass er sich gegen die Tür lehnte. Oprschaleks suchende Hand griff in Drabeks Sakko und fand dort dessen Brieftasche. Außerdem sah er eine goldene Uhrkette. Ohne zu zögern griff er in Drabeks Hosentasche und zog eine wunderschöne goldene
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