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Mord Nach Maß

Mord Nach Maß

Titel: Mord Nach Maß
Autoren: Agatha Christie
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erzählen.«
    »Über Gipsy’s Acre tratsche ich nicht.« Dann sagte sie, jetzt im heuchlerisch greinenden Ton einer Bettlerin: »Aber ich will dich gern einen Blick in die Zukunft tun lassen, junger Herr. Salb mir die Hand mit Silber, und ich sag dir wahr. Du bist einer von denen, die es eines Tages noch weit bringen.«
    »An solchen Unsinn glaube ich nicht. Und Silber hab ich auch keines. Jedenfalls nicht zum Verschleudern.«
    Sie kam ganz nahe an mich heran und fuhr einschmeichelnd fort: »Sixpence. Ich mach’s auch für Sixpence. Was ist das schon? So gut wie umsonst. Aber ich tu’s für dich, weil du ein hübscher Kerl bist, munter zu reden verstehst und was Besonderes an dir hast… Kann gut sein, dass du’s noch weit bringst.«
    Also angelte ich Sixpence aus der Tasche, nicht etwa, weil ich ihren albernen Salbadereien geglaubt hätte, sondern weil ich die alte Gaunerin mochte, obwohl ich sie längst durchschaut hatte. Gierig griff sie nach der Münze und sagte: »Also, dann zeig mir deine Hand. Beide Hände.«
    Sie nahm meine Hände in ihre gichtigen Klauen und starrte in die offenen Innenflächen. Eine ganze Weile blieb sie still, sah nur gebannt darauf nieder. Dann ließ sie meine Hände unvermittelt fallen, stieß sie fast von sich. Sie wich einen Schritt zurück, und als sie wieder sprach, war ihre Stimme rau.
    »Wenn du weißt, was gut für dich ist, dann kehrst du Gipsy’s Acre auf der Stelle den Rücken. Einen besseren Rat kann ich dir nicht geben. Komm nie mehr zurück!«
    »Warum denn nicht? Warum soll ich denn nicht wiederkommen?«
    »Wenn du das tust, erwartet dich hier nur Kummer und Verlust, vielleicht auch Gefahr für Leib und Leben. Böse Sorge erwartet dich, schwarze Sorge. Vergiss diesen Ort, tilg ihn aus deinem Gedächtnis. Ich warne dich.«
    »Was um alles in der Welt…«
    Aber sie hatte sich schon abgewandt und schlurfte zu ihrer Kate zurück.
    Krachend schlug die Tür zu. Ich bin nicht abergläubisch. Natürlich glaube ich an glückliche Zufälle – wer tut das nicht? Aber nicht an diesen ganzen Hexenwahn von wegen Flüchen auf verfallenen Häusern und so. Bloß – was hatte die Alte eigentlich in meinen Händen gesehen? Ich hielt sie vor mich hin, die Innenflächen nach oben gekehrt, und betrachtete sie. Was war Händen schon abzulesen? Wahrsagen war Bauernfängerei, ein Trick, um einem Geld abzuluchsen. Ich sah zum Himmel auf. Die Sonne hatte sich versteckt, Wind war aufgekommen und rüttelte an den Bäumen, dass die Blätter ihr Unterstes zuoberst kehrten. Ich pfiff mir eins und wanderte die Dorfstraße zurück.
    Noch einmal betrachtete ich den Aushang über die Versteigerung von The Towers und notierte mir sogar das Datum. Noch nie hatte ich mich sonderlich für den Grundstücksmarkt interessiert, aber mir wurde klar, dass ich dieser Auktion hier gern beiwohnen wollte. Ich war neugierig darauf, wer The Towers kaufte, wer der neue Besitzer von Gipsy’s Acre wurde. Doch, ich glaube wirklich, dass alles in diesem Augenblick begann… Mir kam ein fantastischer Einfall: Ich wollte hierherfahren und mir vormachen, dass ich der Mann sei, der Gipsy’s Acre ersteigern würde. Der die ortsansässigen Bauunternehmer überbieten würde, so dass sie einer nach dem anderen aufgeben mussten. Ich wollte es kaufen und dann zu Rudolf Santonix gehen und sagen: »Bau mir ein Haus. Ich hab gerade das Grundstück dafür gekauft.« Und dann würde ich auch ein Mädchen finden, ein ganz wundervolles Mädchen, und wir könnten glücklich und in Freuden leben, bis ans Ende unserer Tage. Von solchen Dingen träumte ich oft. Natürlich führte es zu nichts, aber es machte Spaß. Jedenfalls glaubte ich das damals. Spaß! Mein Gott, wenn ich eine Ahnung gehabt hätte!

2
     
    E s war reiner Zufall gewesen, dass es mich an jenem Tag in die Gegend von Gipsy’s Acre verschlagen hatte. Ich fuhr ein älteres Ehepaar im Mietwagen von London zu einer Auktion. Wie ich der Unterhaltung entnahm, interessierten sie sich für eine Papiermaschee-Kollektion. Ich ahnte nicht, was man sich darunter vorzustellen hatte, aber ich merkte mir den Ausdruck, um ihn zu Hause im Lexikon nachzuschlagen.
    Ich war damals zweiundzwanzig Jahre alt und hatte mir auf mancherlei Art eine recht gute Allgemeinbildung erworben. Zum Beispiel wusste ich allerhand über Autos, war ein passabler Mechaniker und sorgsamer Fahrer. Früher hatte ich einmal als Stallbursche in Irland gearbeitet, mich fast mit einer Bande von Dopern eingelassen, war
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