Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord Nach Maß

Mord Nach Maß

Titel: Mord Nach Maß
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
Mund, aber damit finde ich mich schon ab. Diese Art Leben macht wenigstens Spaß, und für meinen Teil wäre ich zufrieden gewesen, wenn es immer so lustig weitergegangen wäre. Aber vermutlich wäre ich das auf jeden Fall gewesen; in der Jugend hat man diese Einstellung zum Leben. Erst wenn die Jugend vorübergeht, macht der Spaß keine Freud’ mehr. Dennoch spürte ich dahinter vermutlich immer noch dieses andere – das Suchen nach irgend jemandem und irgendetwas…
    Aber um wieder auf das vorhin Gesagte zurückzukommen – wir hatten einen Stammkunden, einen alten Knaben, den ich immer an die Riviera kutschieren musste. Er ließ sich dort ein Haus bauen und fuhr immer nachsehen, ob die Arbeit Fortschritte machte. Santonix war sein Architekt. Ich bin mir nicht sicher, was er für ein Landsmann war. Zuerst hielt ich ihn für einen Engländer, obwohl er so einen seltsamen Namen hatte, der mir noch nirgendwo begegnet war. Aber wahrscheinlich kam er gar nicht aus England, eher schon aus Skandinavien. Er war ein kranker Mensch, das sah ich sofort: jung und hager und dazu ein frappierendes Gesicht – ein Gesicht, das irgendwie aus den Fugen geraten war. Die beiden Gesichtshälften passten nicht zueinander, sie deckten sich nicht. Mit seinen Auftraggebern sprang er mitunter ziemlich grob um. Man hätte doch denken sollen, dass sie den Ton angaben und mit Grobheiten um sich warfen – schließlich ging ja alles auf ihre Rechnung. Aber von wegen, Santonix kommandierte sie herum und war dabei seiner selbst sehr sicher, was man von seinen Kunden nicht sagen konnte.
    Der alte Knabe nun, das weiß ich noch wie heute, schäumte vor Wut, kaum dass wir angekommen waren und er einen ersten Blick auf den Neubau geworfen hatte. Ich bekam ja immer einiges mit, wenn ich nach guter alter Chauffeurmanier herumstand, allezeit bereit, mit Hand anzulegen. Bei Mr Constantine musste man ständig auf einen Herzanfall oder Gehirnschlag gefasst sein.
    »Sie haben entgegen meinen Anweisungen gehandelt«, kreischte er, »Sie haben zu viel Geld verbraucht – viel zuviel Geld! So war es nicht vereinbart. Das kostet weit mehr, als ich berechnet hatte.«
    »Sie sind absolut im Recht«, meinte Santonix. »Aber Geld muss schließlich ausgegeben werden.«
    »Es soll aber nicht! Es soll aber nicht ausgegeben werden! Sie haben sich an den Voranschlag zu halten, an das Limit, das ich festgesetzt habe. Ist das klar?«
    »Dann kriegen Sie nicht das Haus, das Sie wollen«, entgegnete Santonix. »Ich weiß, was zu Ihnen passt. Wenn ich Ihnen ein Haus baue, dann wird es genau das, was Sie brauchen. Darüber bin ich mir im Klaren, und Sie übrigens auch. Kommen Sie mir nicht mit derlei verspießerten Knausereien – Sie brauchen ein Klassehaus, und das kriegen Sie auch; nachher können Sie damit prahlen, und alle werden Sie darum beneiden. Ich baue nicht für Hinz und Kunz, das habe ich Ihnen gesagt. Geld allein ist nicht alles. Dieses Haus wird nicht wie andere Häuser, es wird etwas Besonderes.«
    »Es wird grässlich. Grässlich!«
    »Nein, das wird es nicht. Der Haken bei Ihnen ist, dass Sie gar nicht wissen, was Sie brauchen. Zumindest könnte man das denken. Aber natürlich wissen Sie es doch, tief da drin, Sie können es sich nur selbst nicht bewusst machen, nicht vor Augen sehen. Aber ich kann es. Das ist eines dieser Dinge, die ich sofort weiß: Was die Leute anstreben und was sie brauchen. Sie haben ein ausgesprochenes Gefühl für Qualität. Und ich biete Ihnen Qualität.«
    Er sagte oft solche Dinge. Und ich stand dann irgendwo im Hintergrund und hörte ihm zu. In gewisser Hinsicht konnte auch ich bereits erkennen, dass dieses Haus, das da unter den Pinien wuchs, die Front dem Meer zugekehrt, dass sich dieses Haus von allen anderen unterscheiden würde. Ein Flügel ging nicht, wie üblich, auf die See hinaus; er war landeinwärts gekehrt, mit Blick auf einen bestimmten Ausschnitt des bizarren Bergpanoramas und ein Fleckchen blauen Himmels zwischen den Gipfeln. Es hatte eine eigenartige, ungewöhnliche Wirkung und war sehr erregend.
    Manchmal, wenn ich frei hatte, unterhielt Santonix sich mit mir. So sagte er zum Beispiel: »Ich suche mir meine Auftraggeber aus; ich baue nur für Leute, die mir zusagen.«
    »Also für reiche Leute?«
    »Natürlich müssen sie reich sein, sonst könnten sie sich diese Häuser nicht leisten. Aber mir persönlich kommt es nicht auf das Geld an, das ich daran verdiene. Meine Kunden müssen wohlhabend sein, weil ich nur
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher