Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord Nach Maß

Mord Nach Maß

Titel: Mord Nach Maß
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
uns zuwarfen; und dabei überlegten wir nur: Wird sie, oder wird sie nicht? Ist es vielleicht bloß Zeitverschwendung? Und je mehr Mädchen man hatte, desto mehr gab man an, als umso tollerer Kerl galt man, und für umso toller hielt man sich schließlich selbst.
    Mir kam nie die Idee, dass dies doch nicht alles sein konnte. Aber wahrscheinlich stößt es jedem früher oder später zu, und wenn es geschieht, dann immer unvermutet. Man denkt nicht, wie man sich vorgestellt hat: Das könnte die Richtige für mich sein… Das ist das Mädchen, das eines Tages meine Frau wird. Nein. Zumindest waren das nicht die Gefühle, die ich hatte. Ich rechnete nicht damit, dass es schließlich, wenn es soweit war, ganz plötzlich geschehen würde; dass ich mir sagen würde: Das ist die Frau, zu der ich gehöre. Ihr gehöre ich, mit Haut und Haar und für alle Zeit.
    Nein, dass es so kommen würde, das hätte ich mir nie träumen lassen. Hat nicht ein alter Komödiant einmal gewitzelt – und ich glaube, das war sein Standardrepertoire: »Ein einziges Mal im Leben war ich verliebt, und ich sage Ihnen, wenn ich merke, dass es mich wieder überkommt – dann wandere ich vorher aus.« Genauso war es bei mir. Wenn ich gewusst hätte, wenn ich nur geahnt hätte, wozu das alles führen würde, ich wäre rechtzeitig ausgewandert. Das heißt, wenn ich den Verstand dazu gehabt hätte.

4
     
    D ie Sache mit der Auktion wollte mir nicht mehr aus dem Kopf.
    Bis dahin waren es noch drei Wochen. Mir fielen in dieser Zeit noch zwei Fahrten aufs Festland zu, die eine nach Frankreich, die andere nach Deutschland. Und in Hamburg geschah es auch, dass die Dinge ins kritische Stadium gerieten. Einmal fasste ich eine heftige Abneigung gegen meinen Fahrgast und seine Frau, denn die beiden verkörperten all das, was ich am meisten verabscheute. Sie waren grob, rücksichtslos, schon vom Äußeren her abstoßend und wahrscheinlich die Ursache dafür, dass ich plötzlich das Gefühl bekam, dieses Leben nicht länger ertragen zu können. Aber natürlich war ich auf der Hut. Mir schien es, als könnte ich es keinen Tag länger mit ihnen aushalten, aber wohlweislich sagte ich ihnen das nicht. Schließlich hat’s keinen Zweck, sich mit seinem Arbeitgeber anzulegen. Nein, ich rief ihr Hotel an, meldete mich krank und telegrafierte dasselbe auch nach London. Wahrscheinlich müsste ich auf Isolierstation, fügte ich noch hinzu, und sie seien wohlberaten, wenn sie einen Ersatzfahrer für mich herüberschickten. Daraus konnte mir niemand einen Vorwurf machen. So sehr, dass sie Erkundigungen eingezogen hätten, sorgten sie sich in London nicht um mich, und wenn ich nichts mehr von mir hören ließ, dann mussten sie das lediglich hohem Fieber zuschreiben. Später konnte ich dann wieder in London auftauchen und Schauermärchen von meiner Krankheit erzählen. Aber im Grunde hatte ich dazu gar keine Lust. Das Fuhrgeschäft hing mir zum Hals heraus.
    Diese meine Miniatur-Rebellion war für mich ein Wendepunkt. Ihretwegen und aus anderen Gründen erschien ich dann zur festgesetzten Zeit im Auktionssaal.
    »Vorbehaltlich eines Verkaufs an Privat«, hatte ein Aufkleber gewarnt, der quer über der ursprünglichen Ankündigung prangte. Aber sie hing noch aus, also war es nicht an Privat verkauft worden. Ich war so aufgeregt, dass ich kaum wusste, was ich tat.
    Wie ich schon sagte, war ich noch nie zuvor auf einer öffentlichen Grundstücksversteigerung gewesen. Ich war erfüllt von der Idee, wie aufregend es dabei zugehen würde; aber es war alles andere als aufregend, sondern eines der tristesten Schauspiele, das ich je erlebt hatte. Es fand im Halbdunkel statt, in Gegenwart von höchstens sechs oder sieben Zuschauern. Der Auktionator war das genaue Gegenstück seiner Kollegen von Inventarauktionen und ähnlichem, alles Männer mit dem Herzen auf dem rechten Fleck, mit drolliger Ausdrucksweise und einem Sack voll Späßen. Dieser aber pries den Besitz mit halb erstorbener Stimme an, beschrieb das Grundstück und so weiter und forderte dann halben Herzens zum Bieten auf.
    Das erste Gebot waren fünftausend Pfund. Der Auktionator rang sich ein gequältes Lächeln ab, wie einer, der einen faulen Witz hört; er sagte noch dies und das, und es folgten einige weitere Gebote. Die meisten der Anwesenden stammten vom Land: Der eine sah mir wie ein Landwirt aus, bei einem anderen tippte ich auf den interessierten Bauunternehmer, dann waren wahrscheinlich noch ein paar Anwälte da –
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher