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Mord Nach Maß

Mord Nach Maß

Titel: Mord Nach Maß
Autoren: Agatha Christie
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die kostspielige Sorte Häuser entwerfen möchte. Der Bau selbst reicht nämlich noch nicht, er muss den rechten Rahmen haben. Das ist mindestens ebenso wichtig wie die Fassung bei einem Rubin oder einem Brillanten. Ein schöner Stein an sich sagt einem noch nichts, inspiriert einen nicht, er hat weder Profil noch Gewicht, bis er die richtige Fassung erhält. Die Fassung ihrerseits braucht einen makellosen Stein, wenn sie von Wert sein soll. Und ich, wissen Sie, ich ringe der Landschaft diesen Rahmen ab, der dort bisher nur im Urzustand existiert hat. Er erhält erst einen Sinn, wenn er mein Haus trägt, stolz wie eine Fassung ihr Juwel.« Lachend sah er mich an. »Sie verstehen das wohl nicht?«
    »Vielleicht nicht«, sagte ich zögernd, »und trotzdem… irgendwie…verstehe ich es doch.«
    »Schon möglich.« Er betrachtete mich neugierig.
    Als wir das nächste Mal an die Riviera kamen, war das Haus so gut wie fertig. Ich will es nicht beschreiben, weil ich ihm ja doch nicht gerecht würde, aber es war… ja, ja, eben etwas Besonderes; und es war schön, das spürte ich. Es war ein Haus, auf das man stolz sein konnte, das man mit Stolz herzeigte und betrachtete, stolz mit dem richtigen Menschen teilte. Und eines Tages sagte Santonix plötzlich zu mir: »Wissen Sie, dass ich auch für Sie so ein Haus bauen könnte? Ich weiß nämlich, welche Art Haus zu Ihnen passt.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Das weiß ich nicht einmal selbst«, sagte ich aufrichtig.
    »Vielleicht nicht. Aber ich weiß es für Sie.« Und er fügte hinzu: »Es ist jammerschade, dass Sie nicht das Geld dazu haben.«
    »Und auch niemals haben werde.«
    »Das kann man nicht wissen«, meinte Santonix. »Arm geboren muss nicht arm sterben. Mit dem Geld ist es so eine Sache – es spürt, wo es gebraucht wird.«
    »Ach, ich bin nicht smart genug…«
    »Nicht ehrgeizig genug. Ihr Ehrgeiz ist noch nicht geweckt, aber Sie haben welchen, täuschen Sie sich da nicht.«
    »Na, wunderbar«, sagte ich bitter, »eines Tages, wenn sich mein Ehrgeiz ausgeschlafen hat und ich zu Geld gekommen bin, dann gehe ich hin und sage zu Ihnen: ›Bauen Sie mir ein Haus.‹«
    Da seufzte er. »So lange kann ich nicht warten… Das kann ich mir nicht leisten. Ein Haus noch, vielleicht zwei, mehr nicht. Niemand will jung sterben, aber manchmal muss man’s… Im Grunde ist es wahrscheinlich völlig irrelevant.«
    »Dann muss ich meinen Ehrgeiz eben ganz schnell wachrütteln.«
    »Nein«, sagte Santonix, »Sie sind gesund, Sie genießen das Leben, bleiben Sie ruhig dabei, ändern Sie sich nicht.«
    »Könnte ich auch gar nicht, selbst wenn ich wollte.« Damals glaubte ich das fest.
    An Santonix musste ich noch oft denken; er faszinierte mich stärker als jeder Mensch, dem ich bisher begegnet war. Eines der seltsamsten Dinge im Leben, glaube ich, ist das System, nach dem wir unsere Erinnerungen auswählen. Irgendetwas in uns trifft diese Wahl, entscheidet sich für den einen Vorfall, übergeht den anderen. Bei mir fiel die Wahl zum Beispiel auf Santonix und sein Haus, auf das Bild in der Bond Street und auf den Besuch von The Towers und diese alte Sage von Gipsy’s Acre. Manchmal entschied sich mein Gedächtnis auch für das eine oder andere Mädchen, das ich kennengelernt hatte, oder für eine bestimmte Auslandsreise. Aber die Kunden in meiner Chauffeursperiode glichen einander zu sehr, es war monoton. Sie wohnten stets in der gleichen Klasse Hotels und aßen die gleichen einfallslosen Mahlzeiten.
    Dieses Gefühl, auf etwas zu warten, ließ jedoch nicht nach; zu warten, dass mir etwas angeboten wurde, etwas zustieß – ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll. Wahrscheinlich war ich in Wirklichkeit nur auf der Suche nach einem Mädchen, der rechten Art von Mädchen, und damit meine ich nicht die nette, standesgemäße Partie fürs Leben, wie sie meiner Mutter vorschwebte oder Onkel Joshua und einigen meiner Freunde. Damals wusste ich noch nichts über Liebe. Nur bei Sex, da wusste ich Bescheid, da war ich firm wie anscheinend alle meine Altersgenossen. Wahrscheinlich redeten wir zu viel darüber, hörten zu oft davon, nahmen Sex viel zu wichtig. Wir hatten keine Ahnung – weder ich noch einer meiner Freunde –, wie es wirklich sein würde, wenn es schließlich auch bei uns einschlug. Die Liebe, meine ich. Wir waren jung und viril und taxierten die Mädchen, die uns über den Weg liefen, wussten ihre Kurven zu würdigen, ihre Beine und die gewissen Blicke, die sie
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