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Mord mit kleinen Fehlern

Titel: Mord mit kleinen Fehlern
Autoren: Lisa Scott
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Vergehen war, fand man es bei Chipster unangemessen und entließ Mr. Leaver noch am selben Tag.«
    »Ach ja? Ein Streich?« Richter Hoffmeier lugte amüsiert über den Rand seiner Brille. »Tatsache ist, dass Mr. Leaver splitterfasernackt seinen Bürokubus verließ!«
    »Das stimmt.« Anne unterdrückte ein Lächeln, doch die Zuschauer lachten leise. »Aber es war ein Scherz, Euer Ehren. Und nur der Vollständigkeit halber: Mr. Leaver trug um beide Knöchel schmale Bänder, an denen kleine Flügel aus Alufolie befestigt waren.«
    »Knöchelbänder mit Flügeln daran. Natürlich. Ein Fan von Hermes oder Pan?« Richter Hoffmeier kicherte abermals, und die Zuschauer ebenso, nun da sie seine richterliche Erlaubnis dazu hatten. »Warum Flügel, Frau Anwältin?«
    »Warum nicht, Euer Ehren? Allerdings bezweifle ich, dass Mr. Leaver sich in der Mythologie auskennt. Er ist dreiundzwanzig Jahre alt und schaut einfach zu oft Jackass. «
    » Jackass? «
    »Das ist eine Sendung auf MTV. Dort fahren junge Männer nackt oder im Gorillakostüm Skateboard.« Anne liebte die Sendung, wollte das jedoch einem sechzigjährigen Richter nicht unbedingt auf die Nase binden. »Nun, Mt Leaver trat also aus seinem Kubus und stand nur einen Augenblick lang vor Ms. Feldman. Weder sagte er etwas Unangemessenes, noch gestikulierte er obszön. Er schlug nur mit den Armen, als ob er fliegen wollte, was zugegebenermaßen dumm und geschmacklos ist, aber noch kein Verstoß gegen ein Bundesgesetz.«
    Richter Hoffmeier prustete los. »Deshalb steckt der NASDAQ also in der Patsche! Das ist die viel gerühmte Internet-Revolution! Weil die Wirtschaft dieses Landes von Kindern geleitet wird, die nur mit Küchenutensilien bekleidet sind! «
    Anne wartete, bis das Lachen der Zuschauer abgeklungen war. Die Feiertagsstimmung hatte bereits um sich gegriffen, und sie hoffte, das würde ihr zum Vorteil gereichen. »Es ist wirklich komisch, Euer Ehren, und tatsächlich hat Ms. Feldman das Verhalten von Mr. Leaver als Scherz aufgefasst. Als er mit den Armen wedelte, bekam sie einen Lachanfall, so dass sie von ihrem Stuhl fiel. Mr. Leaver war das dermaßen peinlich, dass er auf die Herrentoilette lief und erst nach Büroschluss wieder herauskam.«
    Die Zuschauer lachten jetzt noch lauter und Richter Hoffmeier ließ das Gelächter verklingen, bevor er wieder ernst wurde. »Tja, diese Situation ist auf jeden Fall einzigartig. Ihr Mandant, Chipster.com , wil l als o nicht , das s Ms. Feldma n ihr e Geschicht e übe r di e Alufolienflüge l be i der Verhandlun g zu m Beste n gibt ? «
    »Nein. Ihre Geschichte, ihre Aussage ist irrelevant. Bei dem anstehenden Fall Diet z gege n Chipster geht es um einen Quidproquo-Fall von sexueller Belästigung, also um sexuelle Belästigung in Verbindung mit einer Gegenleistung. Dabei behauptet die Anklage, Gil Martin, der Vorstandsvorsitzende der Firma, habe Beth Dietz, eine Programmiererin des Unternehmens, zweimal gezwungen, Sex mit ihm in seinem' Büro zu haben, ansonsten würde sie ihren Job verlieren. Was zwischen Mr. Martin und Ms. Dietz geschah, werden die Geschworenen zu entscheiden haben. Doch werden wir beweisen, dass die Behauptungen der Anklage jedweder Grundlage entbehren. Aber ob Mr. Leaver sich entblößte, mit den Armen wedelte oder vor Ms. Feldman posierte, macht es weder mehr noch weniger wahrscheinlich, dass Gil Martin Beth Dietz belästigte.«
    »Eine ganz normale Relevanzanalyse, was, Ms. Murphy?«
    »Genau. Doch nicht immer.« Anne sah kurz auf ihren Schriftsatz. »Obwohl die Aussage im Rahmen der Theorie einer ''feindseligen Arbeitsatmosphäre'' zulässig wäre, bei der die Anzahl und Intensität angeblicher weiterer Vorfälle eine Rolle spielt, ist sie in diesem Quidproquo-Fall wegen Irrelevanz eindeutig unzulässig.«
    Richter Hoffmeier runzelte nachdenklich die Stirn. »Das ist eine ziemlich theoretische Begründung.«
    »Ich würde meine Begründung eher als  '' präzise''   bezeichnen, Euer Ehren.« Für Anne war Präzision wichtig - in der Gesetzgebung oder in der Hirnchirurgie ebenso wie bei der Handhabung von Liplinern. Auch wenn der Spaßfaktor der Präzision gleich null war. »Dieser Unterschied ist aufgrund der Wirkung, die die Aussage haben wird, von entscheidender Bedeutung. Der Anwalt der Klägerin wird den Vorfall mit Mr. Leaver dazu verwenden, seine mageren Beweise gegen Mr. Martin zu untermauern.«
    Richter Hoffmeier rieb sich das Kinn, das trotz dieser späten Stunde glatt rasiert war. »Gibt
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