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Mord mit kleinen Fehlern

Titel: Mord mit kleinen Fehlern
Autoren: Lisa Scott
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es irgendwelche Hilfen von oben, Ms. Murphy? Ich habe keine diesbezüglichen Berufungsfälle gefunden.«
    »Ehrlich gesagt, ich auch nicht, Euer Ehren. Ich habe Becker gegen ARCO angeführt, dieser Fall stützt meine Position, auch wenn der Fall doch ein wenig anders gelagert ist. Er unterstreicht allerdings die Gefahr, Aussagen dieser Art zuzulassen, mit denen die Anklage ein Verschulden des Beklagten nur auf eine Weise beweisen kann, die in höchstem Maße unlogisch ist - Schuld durch Assoziation gewissermaßen.«
    »Danke. Ihre Begründung ist mir jetzt klar, Ms. Murphy. « Richter Hoffmeier nickte und wandte sich dem Tisch der  Anklage zu. »Wollen Sie fortfahren, Mr. Booker?«
    »Natürlich, Euer Ehren.« Matt ging zum Rednerpult, während Anne sich entfernte. »Euer Ehren, mir gefallen Scherze genauso wie jedermann, und ich stimme zu, dass dieser Vorfall für uns heute komisch klingt. Aber im Widerspruch zur Behauptung der Verteidigerin hielt Ms. Feldman diesen angeblichen Streich seinerzeit keineswegs für komisch. Und Mr. Leavers Verhalten würde vor jedem Gericht als unsittliches Entblößen verurteilt werden.«
    Richter Hoffmeiers Lippen wurden zu einer dünnen, politisch korrekten Linie der Missbilligung. Anne fragte sich, wie sie ihren Flirtversuch von vorhin rückgängig machen konnte.
    »Euer Ehren, wir halten die Aussage von Ms. Feldman für zulässig«, fuhr Matt fort. »Es geht um den Nachweis des  ''Umkleidekabinen'' -Tones, der unter den Mitarbeitern und  Mitarbeiterinnen von Chipster.com gepflegt wird. Übrigens auch bei einer steigenden Zahl anderer Internetfirmen. Klagen wegen sexueller Belästigung nehmen in Internetfirmen zu, weil die Computerbranche männlich dominiert ist. Fünfundneunzig Prozent aller Programmierer bei Chipster sind Männer im Alter zwischen einundzwanzig und fünfunddreißig, und keiner der fünfzehn leitenden Angestellten des Unternehmens ist eine Frau. Das führt zu groben,  '' typisch männlichen''   Verhaltensmustern, in denen ein Benehmen wie das von Mr. Leaver und Mr. Martin einen fruchtbaren Nährboden findet.«
    »Was ist mit der Ansicht von Ms. Murphy, dass es sich um einen Quidproquo-Fall handelt, nicht um einen Fall über feindselige Arbeitsatmosphäre?«
    »Ich stimme mit Euer Ehren darin überein, dass dies eine hypertheoretische Begründung ist. Sexuelle Belästigung ist und bleibt sexuelle Belästigung. Und Becker gegen ARCO hin oder her - auch das dritte Bezirksgericht kann ein Beweismittel, das in einem Fall über feindselige Arbeitsatmosphäre gültig war, in einem Quidproquo-Fall nicht als unzulässig erklären.«
    Richter Hoffmeier stützte sein Kinn mit der Hand ab. »Es scheint mir tatsächlich beweiserheblich, insbesondere deshalb, weil es unwiderlegbar ist.«
    »Dem stimme ich zu, Euer Ehren. Es ist zudem an den Geschworenen - nicht an einem von uns - zu entscheiden, ob die Firmenkultur bei Chipster dergestalt ist, dass sexuelle Belästigung darin ihren Platz hat. Und der Beklagte im vorliegenden Fall ist der Vorstandsvorsitzende dieser Firma, Gilbert Martin.«
    »Danke für Ihre Begründung, Herr Anwalt«, sagte Richter Hoffmeier mit einer gewissen Endgültigkeit in der Stimme. Anne wusste nicht, wie er sich entscheiden würde, aber sie durfte es nicht riskieren, dass sie verlor. Die Zeugenaussage würde ihren Fall ruinieren. Es war Zeit für Plan B.
    »Euer Ehren, wenn ich darf, möchte ich diese Begründung widerlegen«, meldete sich Anne zu Wort, und Richter Hoffmeier lächelte.
    »Die kämpferischen Iren. Ist gut, Frau Anwältin, aber machen Sie es kurz.«
    »Euer Ehren, der Beklagte ist der Ansicht, dass selbst wenn das Gericht die Zeugenaussage für relevant hält, sie gemäß Bundesgesetz 403 ausgeschlossen werden sollte, denn es droht die Gefahr unfairer Vorurteile. Stellen Sie sich vor, wie abgelenkt die Geschworenen angesichts dieser Aussage wären. Euer Ehren, wir sprechen hier von einem nackten Mann.«
    Aufs Stichwort stand der junge Mann auf, der hinter Anne im Zuschauerraum saß, trat in den Gang, knöpfte seinen Trenchcoat auf und ließ ihn zu seinen Füßen fallen. Der Mann hatte sandblondes Haar, sah gut aus - und war splitterfasernackt. Die Zuschauer schnappten kollektiv nach Luft, die Gerichtsstenografin presste die Hand auf den Mund, und der Gerichtsdiener griff nach seinen Handschellen, aber Anne fuhr seelenruhig mit ihrer Begründung fort.
    »Der Anblick eines nackten Mannes ruft sofortige und völlige Aufmerksamkeit
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