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Mord in Thingvellir

Mord in Thingvellir

Titel: Mord in Thingvellir
Autoren: Stella Blómkvist
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schmalen Rinnsalen die Scheiben herunter.
    Júlíus sitzt auf dem Rücksitz. Guckt aus dem nassen Fenster.
    »Das ist ja vielleicht eine Absteige«, sagt er verächtlich.
    Absteige ist genau die richtige Bezeichnung.
    Das verlassene Haus zu unserer Linken besteht aus drei Etagen plus Dachgeschoss. Die Farbe an den kaputten Steinwänden ist abgeblättert. Die Tür und viele Fenster sind mit Holzplanken oder Sperrholzplatten zugenagelt worden. An anderen Stellen regnet es durch die zerbrochenen Scheiben.
    »Wo kommen wir rein?«, fragt Andrés.
    Er weiß, dass ich die Örtlichkeiten gestern schon unter die Lupe genommen habe. Bin ins Haus, um mich umzusehen. Um zu gucken, wo sich die Truppe häuslich niedergelassen hat.
    »Folgt mir einfach.«
    Ich ziehe den Reißverschluss meines roten Regenanzugs bis unters Kinn. Steige forsch aus dem Auto.
    Andrés und Júlíus folgen mir.
    Sie sehen wie coole Kerle aus, obwohl beide schon weit über fünfzig sind. Sie sind früher zusammen zur See gefahren. Zuletzt auf einem Trawler mit Frostanlage, der südwestlich im Meer Tiefseerotbarsche wie mit einem Staubsauger vom Meeresgrund saugt.
    »Dahinten in der Ecke ist ein offenes Kellerfenster, das sie benutzen, um ins Haus zu kommen«, sage ich und deute.
    Der Regen scheucht uns weiter.
    »Seid vorsichtig«, warne ich. »Hier liegen überall Nägel und Glasscherben verstreut.«
    Im Erdgeschoss befanden sich einmal ein kleines Geschäft und ein Restaurant. Die Einrichtung wurde in alltäglicher Zerstörungswut auseinandergenommen. Müll bedeckt den ganzen Boden wie auf einer Müllkippe.
    Ich gehe vor den beiden durch eine Tür bis zu einer Holztreppe, die zu den oberen Etagen führt. Die feuchte Treppe knarrt unter den Schritten der Männer.
    »Seid leise«, sage ich. »Sie schlafen im zweiten Stock.«
    Die letzten Mieter der Wohnung im obersten Stock hatten bei ihrem Auszug vor einem knappen Jahr alte Möbel zurückgelassen. Die Bezüge des dunkelroten Sofas, der Sessel und der Schlafbänke sind eingerissen und ausgefranst.
    Die Junkies, die sich vor einigen Monaten im Haus eingenistet hatten, haben alle Möbel ins größte Zimmer geräumt. Haben sich da eingerichtet, wo vorher das Wohnzimmer war.
    Sie sind alle jenseits von Gut und Böse, wie mir im bleichen Schein der Straßenlaterne unter dem Fenster scheint.
    »Fjóla liegt da auf dem Sofa«, flüstert Andrés.
    »Dann schnappt sie euch. Aber leise!«
    Andrés und Júlíus beugen sich über das Sofa, auf dem das Mädchen unter einer dicken, dreckigen Wolldecke schläft.
    Der eine fasst unter Kopf und Schultern, der andere packt sie an den Beinen.
    Das Licht der Straßenlaterne umspielt Fjólas bleiches Gesicht und das lange, blonde Haar, als die Männer sie an mir vorbei aus dem Zimmer tragen.
    Ihre Augen sind geschlossen. Sie scheint nichts mitzubekommen, während sie ihren Rausch ausschläft.
    Einer der Kerle grummelt. Dreht sich auf die Seite. Hebt verschlafen ein Lid.
    Seine Augen starren mich an, als wäre ich weit, weit weg.
    »Beeilt euch!«, flüstere ich.
    Der Kerl wird wach. Er setzt sich auf. Schüttelt seinen verstrubbelten Kopf. Versucht aufzustehen, aber fällt wieder rücklings auf die dreckige Schlafbank.
    Dieser verlebte Penner ist wahrscheinlich noch nicht mal vierzig. Wenn es überhaupt möglich ist, sein Alter in der Dämmerung richtig einzuschätzen.
    Sein Haar ist verfilzt und ungepflegt. Das Gesicht verpickelt. Der Junkie kratzt sich mit allen fünf Fingern an der Brust. Stöhnt schwer. Rülpst. Furzt.
    »Sogar Schweine sind sauberer als die meisten Männer.«
    Sagt Mama.
    Ich warte ab, um zu sehen, ob er richtig wach wird oder wieder einschläft. Sehe mich derweil nach einem brauchbaren Schlagstock um. Um Andrés und Júlíus genug Zeit zu geben, damit sie Fjóla ins Erdgeschoss und durch den Keller ins Auto tragen können. Aber auch, um mich zu verteidigen.
    Da bemerkt der Junkie, dass das Mädchen nicht mehr auf dem verschlissenen Sofa liegt.
    »Wo ist Fjóla?«, fragt er mit heiserer Stimme.
    »Leg dich einfach wieder hin«, antworte ich. »Schlaf weiter.«
    Er rappelt sich auf. Steht wankend auf den Beinen. Starrt mich hasserfüllt an.
    »Wo ist sie?«, wiederholt er.
    »Setz dich, habe ich gesagt!«
    Er bückt sich und hebt etwas vom Fußboden auf.
    »Ich will wissen, wo sie ist!«, sagt er und schüttelt seine geballte Faust. »Sonst steche ich dich mit der hier.«
    Der Kerl hat eine dreckige Spritze in der Hand. Und zeigt mit der langen Nadel auf
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