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Mord in der Vogelkoje

Mord in der Vogelkoje

Titel: Mord in der Vogelkoje
Autoren: Kari Köster-Lösche
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Meeresgrund abgestattet?«, rief Oses Mutter Blaicke mit gekrauster Stirn aus und schlug die Hände zusammen. »Allerdings glaube ich nicht, dass es dort nach Jauche riecht. Ihr hättet früher nach Hause kommen sollen.«
    »Wir sind im Dienst, Mutter, auch wenn Nis keine Uniform anhat. Da können wir nicht auf ein bisschen Regen Rücksicht nehmen.«
    »Ich weiß, ich weiß. Eher könnte man die Wolken bitten zu verschwinden. Wie dein Vater, Ose.«
    »Ich würde gerne mit ihm über eine Leiche sprechen, die wir entdeckt haben«, bat Asmus. »Sie ist auf dem Weg in die Klinik.«
    »Das darfst du gerne, Nis. Wenn du dich umgezogen hast. Ich suche dir wieder Kleidung meines Mannes heraus.«
    Asmus schmunzelte. Es war nicht das erste Mal, dass er tropfnass bei Godbersens anlangte. Allerdings nie wie eine Katze aus der Jauchegrube. Plötzlich fiel es ihm ein, an seinen Händen zu schnuppern. Na ja, ein wenig ähnlich wie Jauche, vielleicht.
    Wenig später saßen sie gewaschen und in trockener Kleidung in der Dörns und wärmten sich die Hände an den heißen Knäufen am Bilegger.
    Danach brachte Blaicke Godbersen Tee mit geelem Köm. Den Kümmelkorn roch man schon von weitem. »Damit ihr euch nicht erkältet«, bemerkte sie entschuldigend.
    »Mein Dienst ist seit eben für heute beendet«, eröffnete Asmus sehr zufrieden und schlürfte das Getränk mit Genuss an einem Stück Kandiszucker entlang, das er im Mund behielt. »Ganz schön stark.«
    »Je schlechter das Wetter, desto herzhafter der Teepunsch.«
    »Altes friesisches Sprichwort?«, fragte Asmus beeindruckt.
    »Natürlich. Aber erst in hundert Jahren, Nis. Mutter erfindet aus dem Stegreif Gedichte und Geschichten«, antwortete Ose kichernd. »Dieser Spruch ist ungefähr eine halbe Minute alt.«
    »Für Wissenschaft ist mein Mann zuständig, ich für die Phantasie«, erklärte Blaicke bescheiden und strich sich ihre ehemals blonden, jetzt teilweise grauen Haare aus der Stirn. Sie trug die moderne Kurzhaarmode, auf die sich ein Coiffeur in der Friedrichstraße spezialisiert hatte. Sie war auch keine Bäuerin, sondern auf dem Festland ausgebildete Buchhändlerin. »Er muss gleich kommen, holt beim Nachbarn einen Hasen ab. Kaninchen also.«
    »Schlachtet er selbst?«, erkundigte sich Asmus neugierig.
    »Nein! Er zerlegt es nur sehr sachkundig. Als Chirurg kann er das besser als ich. Du bist herzlich eingeladen. Übermorgen.«
    »Ja, gerne, danke.« Trotzdem war Asmus etwas beklommen zumute, und er wusste nicht recht, was er sagen sollte. Auf Sylt wurden Nahrungsmittel knapp, sofern man sie bezahlen musste. Zwar war offiziell die Hyperinflation beendet, aber die Reichsmark war auf Sylt noch nicht angekommen, nur die Armut. Auch Asmus wurde noch mit Notgeld bezahlt. Manches konnte man sich allerdings selbst besorgen: Muscheln, Fische, Stockenten, illegal traniges Seehundfleisch, im Frühjahr Vogeleier, davon etliche ebenso illegal, weil geschützt, dazu Salzwiesenpflanzen. Nicht jeder hatte noch Hühner oder Schweine, da das Futter kaum noch erhältlich war, falls man es zukaufen musste. Er könnte sich zu dieser Jahreszeit bei den Godbersens nur mit einem Eimer Austern bedanken, notfalls auch mit Miesmuscheln und Herzmuscheln, die nicht gerne gegessen wurden – sie sparten damit nur die Mühe, denn sammeln konnten sie selbst.
    »War es heute ruhig in der Stadt?«, erkundigte sich Blaicke. »Kein Umzug, kein Protestmarsch?«
    »Nein, heute nicht. Aber irgendwie brodelt es im Untergrund. Die Verarmten murren über die reichen Gäste und über die Dänen, die preiswert Häuser aufkaufen. Die Stimmung ist nicht gut.«
    »Ich weiß.« Blaicke seufzte. »Der Pastor hat am Sonntag seine Rede geschlossen mit: ›Seid Christen, seid Deutsche!‹ Das hat er noch nie gesagt. Die nationalen Gefühle steigern sich.«
    »Das kommt sogar der Hetze schon ziemlich nah«, befand Ose, die nicht in die Kirche zu gehen pflegte. »Wenigstens musste ich sie nicht anhören.«
    »Da ist Borg«, sagte Blaicke.
    Auch Asmus hörte, wie die zweiteilige Klöntür geöffnet und wieder geschlossen wurde.

    »Nis ist da und möchte mit dir sprechen«, rief Blaicke.
    Borg schaute herein, das geschlachtete Kaninchen noch an den Ohren in der Hand haltend. Sein stoppeliges graues Haar stand senkrecht in die Höhe, und von der Rasur am Morgen war bereits nichts mehr zu sehen. Wie immer war er guter Laune.
    »Es tropft auf das frisch gescheuerte Dielenholz!« Blaicke runzelte unmutig die Stirn. »Borg,
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