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Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
Autoren: Cay Rademacher
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hingekauert hinter einem Felsen, einen langen Dolch in der Hand.
    Er war so nervös, dass ihm Kaapers nächste Worte beinahe entgangen wären.
    »Ich habe doch noch einmal zu Amun gebetet und ihn angefleht, mir wenigstens diese Sünde zu verzeihen, die ich jetzt begehen werde«, sagte der Priester so leise, dass es die anderen Diener Amuns nicht hören konnten.
    »Was hast du eben gesagt?«, fragte Rechmire geistesabwesend.
    »Wir müssen über den sprechen, über den man nicht spricht«, entgegnete Kaaper.
    Rechmire war plötzlich hellwach. »Der-dessen-Namen-niemand-nennt?«
    Kaaper seufzte und fasste ihn am Arm. »Nicht so laut, bitte«, wisperte er. »Komm, lass uns für ein Weilchen in den Schatten der Tempelwände gehen«, fügte er lauter hinzu. Sie verließen die Gruppe der wartenden Priester und betraten den ersten Innenhof des Amun-Heiligtums. Nur der Soldat der Leibgarde folgte ihnen – aber in so respektvollem Abstand, dass er ihre Worte nicht vernehmen konnte.
    »Es ist eine Sünde, überhaupt nur über den Verfluchten zu sprechen«, fuhr Kaaper fort, als sie ungestört waren. »Deshalb verschwieg ich es vor einigen Tagen und selbst noch vorgestern, obwohl ich deutliche Zeichen von Dem-dessen-Namen-niemand-nennt entdeckt hatte. Vielleicht hat der Gott dieses Unwürdigen etwas mit Kenherchepeschefs Tod zu tun.«
    Rechmire erinnerte sich an den Bauern, den Mentuhotep von den beiden Medjai hatte hinrichten lassen, als sie sich zum ersten Mal zum Ort der Wahrheit aufgemacht hatten. Es kam ihm so vor, als sei dies Jahre her, obwohl es kaum mehr als zwanzig Tage waren. Und dann kam ihm plötzlich ein Verdacht, der so überwältigend war, dass er sich in den Sand setzen musste.
    »Was fehlt dir?«, fragte Kaaper besorgt.
    »Der Brief, den Kenherchepeschef an den Hohepriester geschrieben hatte«, keuchte Rechmire. »Erinnerst du dich an ihn? An den Hymnus auf der Rückseite? Ich kannte ihn nicht, aber ich sah, dass er dir Angst eingejagt hatte.«
    Der Priester lachte freudlos. »Und ob ich diesen verfluchten Text kenne! Alle Priester Amuns lernen ihn, wenn sie die höheren Weihen erhalten, denn das ist das Lied unserer schlimmsten Feinde.« Er schloss die trüben Augen und rezitierte aus dem Gedächtnis:
    »Schön bist du und herrlich,
mit Freude erfüllst du das Herz.
Du lässt Bäume und Gräser grünen,
die Vögel fröhlich flattern,
die Lämmer springen,
Millionen Löwenjungen tollen.
Du wärmst mir das Herz,
und niemand kennt dich,
außer …«
    Rechmire nickte. »Ja«, murmelte er, »und das letzte Wort fehlte.«
    »Es lautet: ›Echnaton‹«, antwortete Kaaper so leise, dass Rechmire seine Worte kaum verstehen konnte. Als er den verfluchten Namen aussprach, griff er sich mit der Rechten sein um den Hals hängendes silbernes Amulett in Form des Leben spendenden Anch-Zeichens.
    »Es ist der Hymnus an Aton, den der verfluchte Pharao selbst geschrieben hatte und den noch immer einige versteckte Ketzer beten. Wir haben seinen Namen aus allen Texten getilgt und aus allen Inschriften herausgeschlagen. Wir haben die Papyri mit seiner Hymne verbrannt. Wir haben auch den Namen seines Gottes dem Vergessen anheim gegeben. Wir haben seine Tempel zerstört. Vielleicht weißt du es nicht, doch Aton besaß ein riesiges Heiligtum mitten in Theben, direkt neben Amuns Tempel von Karnak. Doch am Ende haben wir triumphiert und es zerstört. Der Pharao Haremhab hat Karnak mit zwei großen seitlichen Pylonen verschönert und Amun erfreut – und er hat die Trümmer aus Atons Tempel im Innern dieser gewaltigen Bauwerke für alle Zeiten begraben.«
    Rechmire bedeckte seine Augen mit den Händen und hätte am liebsten geweint. Er dachte daran, wie er heimlicher Zeuge davon geworden war, als Userhet den großen Pylon nachts betreten hatte. Und er dachte an den Steinsplitter, auf dessen eine Seite Kenherchepeschef geschrieben hatte: »Ich weiß alles über dich.« Auf der Rückseite stand ein Name in der Königskartusche, geschrieben von der Hand des Hohepriesters.
    »Es lebt Re, der Herrscher der beiden Horizonte, der frohlockt im Horizont, in seinem Namen als Vater des Re, der gekommen ist als …«, murmelte er. »Ich dachte immer, dass dies ein uralter Pharaonenname sein müsse.«
    »Es lebt Re, der Herrscher der beiden Horizonte, der frohlockt im Horizont, in seinem Namen als Vater des Re, der gekommen ist als Aton«, vollendete Kaaper düster.
    Rechmire holte einmal tief Luft, dann stieß er sich vom Boden hoch.
    »Was hast
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