Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
Autoren: Cay Rademacher
Vom Netzwerk:
du vor?«, fragte Kaaper besorgt.
    »Ich werde den Hohepriester des Amun töten«, antwortete Rechmire grimmig.
    Er eilte durch das Dorf, das nun menschenleer und still unter der glühenden Vormittagssonne lag. Unterwegs ärgerte er sich über seine eigene Dummheit. Userhet hatte ihm gesagt, dass er in der Nacht von Kenherchepeschefs Tod mit Kaaper der Meretseger gehuldigt habe. Doch der Vorlesepriester hatte ihm bereits vor zwei Tagen gestanden, dass er zu dieser Zeit das Traumbuch des Chnumhotep aus dem Haus des Ersten Schreibers gestohlen hatte. Warum hatte ihn Thot so mit Seelenblindheit geschlagen, dass ihm dies nicht vorher aufgefallen war? Und die Botschaft, die der sterbende Sennodjem mit seinem eigenen Blut geschrieben hatte? Er hatte vor einigen Tagen, eher als bitterer Scherz, denn ernst gemeint, vermutet, dass dessen letztes Wort »Hem-Netjer« gewesen sein könnte: Priester. Doch ein einziges Zeichen mehr machte daraus »Hem-Netjer-tepi«: Hohepriester.
    Als Rechmire keuchend vor Kenherchepeschefs Haus ankam, fand er die Tür verschlossen vor. Doch er erinnerte sich an den Bericht des Priesters, wandte sich nach links zum Nachbarhaus und kletterte über zwei Mauern hinweg bis zum Innenhof vom Haus des Ersten Schreibers. Dort konnte er die hintere Pforte mit der Schulter aufdrücken.
    Hastig durchsuchte er die Tonkrüge nach dem großen, alten, aus zwei zusammengeklebten Rollen bestehenden Plan vom Tal der toten Pharaonen, den er bis dahin nie anzusehen gewagt hatte. Als er den brüchigen Papyrus auf der Liege ausgebreitet hatte, flogen seine Blicke über die verwirrenden Linien und über Hunderte von Namen, Richtungszeichen, Höhen- und Längenangaben, die im Laufe der Jahrzehnte von verschiedenen Schreibern in kursiven Hieroglyphen eingetragen worden waren. Doch so hektisch er auch suchte, Echnatons Namen fand er auf keinem Grab.
    Rechmire flehte Thot an, ihm Weisheit zu schenken, und trug den Plan in den Innenhof, um ihn im grellen Licht von Amuns Wagen besser studieren zu können. Er erinnerte sich an das, was ihm Kaaper über die Herstellung des Schreibmaterials verraten hatte und fuhr mit den Fingerkuppen über den Papyrus, der an einigen Stellen eingerissen, ansonsten jedoch glatt war wie polierter Alabaster. Er schloss die Augen und tastete den Plan Fingerbreite für Fingerbreite ab. Schließlich berührte er eine Stelle, die um eine Winzigkeit tiefer lag als der Rest der Oberfläche.
    Rechmire öffnete die Augen und hielt die Rolle ans Licht, dann lächelte er triumphierend: Jemand hatte dort vor langer Zeit mit einem scharfen Messer die oberste Schicht des Papyrus weggekratzt. Er konnte noch erkennen, dass hier einst eine Kartusche gestanden hatte, das Zeichen für einen Pharaonennamen. Dieser selbst war absolut unleserlich. Neben dem Namen war eine zweite, kaum fingernagelgroße Stelle weggeschabt worden – der Plan für ein kleines Grab, vermutete Rechmire.
    Und diese Stelle lag genau gegenüber des schmalen Taleinschnitts, in dem Merenptahs Haus der Ewigkeit in den Felsen getrieben worden war.
    Rechmire kletterte aus dem Innenhof, rannte die Straße entlang und dann hinein zwischen die glühend heißen Felsen. Die Einwohner vom Ort der Wahrheit, die Begleiter der Hohen Herren und die Soldaten hatten sich alle in die Zelte zurückgezogen oder im kargen Schatten des Sonnensegels niedergelassen und starrten dem Laufenden erstaunt und träge hinterher. Niemand versuchte, ihn aufzuhalten; kein Wachtposten hatte im Tal der toten Pharaonen Stellung bezogen.
    Amuns Wagen stand jetzt im Zenit. Die Luft war heiß wie in einem gigantischen Töpferofen. Rechmire sog sie in tiefen Zügen ein, doch er hatte den Eindruck, dass sein Inneres langsam gekocht werden würde. Schweiß lief ihm über die Stirn und verschmierte die schwarze Schminke rund um seine Augen zu grotesken dunklen Gebilden, sodass er aussah wie ein Dämon. Er warf seine Perücke achtlos fort, weil sein Schädel unter der Hitze zu zerplatzen drohte. Er hatte seine besten Sandalen angezogen, die aus feinem Leder waren und seinem Fuß schmeichelten – die aber auch jeden spitzen Stein bis zu seiner Haut durchdringen ließen, sodass seine Füße schnell blutig wurden.
    Hinkend und mit rasendem Herzen taumelte er in das Ruhelager der Arbeiter. Hoch über ihm kreiste ein einsamer Falke am blauen Himmel.
    »Ein göttliches Zeichen«, flüsterte sich Rechmire heiser Mut zu. »Der Horussohn ist nah.«
    Von irgendwo ertönte ein leises, kratzendes
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher