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Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman

Titel: Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
Autoren: Cay Rademacher
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Prozession des Pharaos gar nicht sehen«, antwortete sie leise und bestimmt. »Ich werde zum Tempel der Hathor gehen, meiner Schutzgöttin und der Gebieterin über die Liebe und über den Tod. Dort werde ich für dich beten, bis Amuns Wagen rot am westlichen Horizont versunken ist. Dann werde ich zum Ort der Wahrheit zurückkehren – und du wirst dort sein, unverletzt an Körper und Seele und in der Gnade des Pharaos, denn du wirst den Horussohn beschützt und den Frevler rechtzeitig gefangen haben. Viel Glück, mein Bruder.«
    Rechmire lächelte, zögerte kurz und küsste dann ihre Hand. »Bis heute Abend, Schwester«, entgegnete er flüsternd. Dann stand er auf und verließ mit eiligen Schritten das Haus.
    Auf dem Platz vor dem Nordtor war über Nacht eine zweite kleine Stadt emporgewachsen – eine Stadt aus Zelten. Sklaven hatten für den Pharao, den Tschati und deren Begleitern prachtvolle, hausförmige Zelte aus gelben, roten und weißen Stoffbahnen aufgespannt, damit die hohen Herren dort für einige Stunden ruhen konnten. Zwei Dutzend Diener waren pausenlos damit beschäftigt, Wasser auf den sandigen Boden zu sprengen, andere schwangen an langen silbernen Ketten große bronzene Schalen, in denen Kohlefeuer brannten, auf denen Weihrauch und Myrrhe unter Wohlgerüchen verglühten.
    Mentuhotep war bereits unter großem Pomp zum Nilufer gezogen, um den Pharao dort zu empfangen. Djehuti und seine Medjai hatten sich mit blitzenden Waffen in der Zeltstadt und am Nordtor postiert. Die Einwohner vom Ort der Wahrheit standen vor ihrem Dorf. Alle trugen ihr bestes Leinen und hatten sich mit Henna Hände und Füße geschminkt. Die Augen der Frauen glänzten grün, weil sie sich Malachit auf die Lider gestrichen hatten, die Männer und Kinder hatten ihre Augen mit schwarzer Kohle umrandet. Alle Erwachsenen trugen kurze Perücken, auf denen duftende Salbkegel unter Amuns Strahlen zerschmolzen.
    Rechmires suchender Blick fand Parahotep. Der Zeichner stand ganz am Rand der Gruppe und trug unter einer dicken Schicht Schminke ein missmutiges Gesicht zur Schau. Seine Nase war dick geschwollen, blauschwarz verfärbt und wies einen leichten Knick nach links auf. Direkt hinter ihm stand ein Soldat aus der Leibgarde des Pharaos. Das Gesicht des Mannes war starr wie das einer Marmorstatue, doch seine Rechte lag griffbereit auf dem Knauf seines Schwertes.
    Erleichtert stellte Rechmire fest, dass die anderen Schreiber zusammen mit dem Tschati fortgezogen waren, sodass er sich vorerst nicht ihren Worten und Blicken stellen musste. Er sah sich um, bis er Kaaper entdeckte, der zusammen mit einigen anderen Priestern, die in den frühen Morgenstunden angekommen waren, vor dem Amuntempel Aufstellung genommen hatte. Er beschloss, dass dieser Platz so gut wie jeder andere sei, um die kommenden Ereignisse abzuwarten. Es würde noch weit über eine Stunde dauern, bis der Pharao eintreffen sollte.
    Kaaper verneigte sich, als Rechmire ihn ansprach. Er schien den stämmigen Soldaten, der einige Schritte neben ihm stand, nicht zu bemerken. Rechmire kam der Gedanke, dass der Priester vielleicht tatsächlich nichts von der Anwesenheit eines Aufpassers wusste, wenn sich der Mann die ganze Zeit still verhalten hatte.
    »Wo ist der Erste Diener des Amun?«, fragte er halblaut.
    »Userhet ist noch allein im Tal der toten Pharaonen«, antwortete Kaaper. »Der geheime Zauber des Hohepriesters ist so mächtig, dass sich dort niemand hineinwagen darf, bis der Pharao selbst das Tal betritt. Userhet wird Merenptah an dessen Haus der Ewigkeit empfangen und ihm Amuns Segen überbringen.«
    Rechmire wurde unruhig. »Du meinst, dass tatsächlich niemand im Tal der toten Pharaonen ist?«, hakte er nach.
    »Nicht einmal ein Soldat aus der Leibgarde des Pharaos?«
    »Es ist niemandem erlaubt, dort zu sein«, erwiderte der Priester ein wenig zweideutig.
    Rechmire dachte daran, dass sich der Frevler um dieses Verbot nicht scheren würde. Es wäre ihm ein Leichtes, den Blicken des ahnungslosen Hohepriesters verborgen zu bleiben und irgendwo dort in aller Ruhe einen Anschlag auf den Pharao vorzubereiten. Er überflog hastig die Gruppe der Dorfbewohner. Es waren, soweit er das beurteilen konnte, alle dort versammelt – alle außer Hunero. Sie hatte gesagt, den Tag im Tempel der Hathor verbringen zu wollen. Er hatte sie geliebt und »Schwester« genannt – aber konnte er ihr wirklich trauen? Für einen Augenblick kam ein Bild in seiner Seele hoch von seiner Geliebten,
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