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Mord im Pfarrhaus

Mord im Pfarrhaus

Titel: Mord im Pfarrhaus
Autoren: Agatha Christie
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lassen? Nächstenliebe kennt keine bösen Gedanken, wissen Sie. Törichtes Geschwätz und bösartiger Klatsch können unvorstellbaren Schaden anrichten.»
    «Lieber Pfarrer», sagte Miss Marple, «Sie sind so weltfremd. Ich fürchte, wenn man die menschliche Natur so lange beobachtet hat wie ich, erwartet man nicht mehr sehr viel von ihr. Ich möchte behaupten, müßiger Tratsch ist sehr unrecht und unfreundlich, aber so häufig wahr, oder etwa nicht?»
    Dieser letzte Giftpfeil traf.

Drittes Kapitel
     
    « W iderliche alte Katze», sagte Griselda, sobald die Tür geschlossen war.
    Sie schnitt eine Grimasse hinter den scheidenden Gästen, dann sah sie mich an und lachte.
    «Len, verdächtigst du mich wirklich, eine Affäre mit Lawrence Redding zu haben?»
    «Mein Liebes, natürlich nicht.»
    «Aber du hast gedacht, Miss Marple würde das andeuten. Und du hast dich wunderbar zu meiner Verteidigung aufgeschwungen. Wie – wie ein wütender Tiger.»
    Einen Moment lang überkam mich Beklommenheit. Ein Pfarrer der anglikanischen Kirche sollte sich nie in eine Situation bringen, in der er als wütender Tiger beschrieben werden kann.
    «Ich fand, der Anlass könne nicht ohne Protest vorübergehen. Aber Griselda, ich wünschte, du wärst in deinen Äußerungen etwas vorsichtiger.»
    «Meinst du die Kannibalengeschichte?», fragte sie. «Oder die Andeutung, dass Lawrence mich nackt malt! Wenn sie nur wüssten, dass er mich in einem dicken Mantel mit hohem Pelzkragen porträtiert – damit könnte man höchst schicklich den Papst besuchen – nirgendwo auch nur ein bisschen sündiges Fleisch! Überhaupt ist alles so wunderbar schicklich. Lawrence versucht noch nicht einmal, zärtlich zu werden – ich kann mir nicht denken, warum.»
    «Bestimmt weil er weiß, dass du eine verheiratete Frau bist.»
    «Tu doch nicht so, als kämst du aus der Arche Noah, Len. Du weißt genau, dass eine attraktive junge Frau mit einem älteren Ehemann eine Art Himmelsgeschenk für einen jungen Mann ist. Es muss einen anderen Grund geben – es ist schließlich nicht so, als wäre ich nicht attraktiv – das bin ich.»
    «Bestimmt willst du doch nicht, dass er zärtlich wird?»
    «N-n-ein», sagte Griselda mit mehr Zögern, als ich für passend hielt.
    «Wenn er in Lettice Protheroe verliebt ist…»
    «Miss Marple schien das nicht zu glauben.»
    «Miss Marple kann sich irren.»
    «Sie irrt sich nie. Alte Katzen wie sie haben immer Recht.» Sie überlegte eine Minute und sagte dann mit einem raschen Seitenblick auf mich: «Du glaubst mir doch, oder? Ich meine, dass nichts zwischen Lawrence und mir ist?»
    «Meine liebe Griselda», sagte ich überrascht. «Natürlich.»
    Meine Frau kam herüber und küsste mich. «Ich wollte, du wärst nicht so schrecklich leicht zu täuschen, Len. Du würdest alles glauben, was ich sage.»
    «Das hoffe ich doch. Aber mein Liebes, ich bitte dich wirklich, deine Zunge zu hüten und darauf zu achten, was du sagst. Diese Frauen sind einmalig humorlos, denk daran, und nehmen alles ernst.»
    «Was sie brauchen», sagte Griselda, «ist ein bisschen Unmoral in ihrem Leben. Dann würden sie in dem anderer Leute nicht so eifrig danach suchen.»
    Und damit ging sie hinaus, und nach einem Blick auf die Uhr beeilte ich mich, einige Hausbesuche zu machen.
    Der Mittwochabendgottesdienst war wie gewöhnlich schlecht besucht. Als ich mich in der Sakristei umgezogen hatte und durch die Kirche hinausging, war sie leer bis auf eine Frau, die zu einem unserer Fenster hochschaute. Wir haben einige ziemlich schöne alte Buntglasfenster, und auch die Kirche selbst lohnt eine Besichtigung. Bei meinen Schritten drehte sich die Frau um. Es war Mrs Lestrange.
    Wir zögerten beide einen Moment, dann sagte ich: «Hoffentlich gefällt Ihnen unsere kleine Kirche.»
    «Ich habe den Lettner bewundert.»
    Ihre Stimme war angenehm, leise, doch sehr deutlich, mit klarer Aussprache. Sie fügte hinzu: «Es tut mir Leid, dass ich gestern Ihre Frau verfehlt habe.»
    Wir redeten noch ein paar Minuten über die Kirche. Sie war offenbar eine kultivierte Frau, die einiges über Kirchengeschichte und Architektur wusste. Zusammen verließen wir das Gebäude und gingen die Straße entlang, da mein Weg zum Pfarrhaus an ihrem Haus vorbei führte. An ihrem Gartentor bat sie freundlich: «Kommen Sie doch bitte herein. Und sagen Sie mir, was Sie von meinen Veränderungen im Haus halten.»
    Ich nahm die Einladung an. Little Gates hatte vorher einem angloindischen
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