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Mord im Pfarrhaus

Mord im Pfarrhaus

Titel: Mord im Pfarrhaus
Autoren: Agatha Christie
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von meinem Vikar Hawes. Er wollte die Einzelheiten meines Gesprächs mit Protheroe wissen. Ich sagte ihm, dass der Colonel seine «römischen Tendenzen» missbilligte, sein Besuch aber einen ganz anderen Anlass hatte. Zugleich äußerte ich mein eigenes Missfallen und machte ihm klar, dass er sich meinen Anweisungen zu fügen habe. Im großen Ganzen nahm er meine Bemerkungen sehr gut auf.
    Als er gegangen war, hatte ich Gewissensbisse, weil ich ihn nicht besser leiden konnte. Diese irrationalen Sympathien und Antipathien sind bestimmt sehr unchristlich.
    Seufzend merkte ich, dass die Zeiger auf meiner Schreibtischuhr auf Viertel vor fünf standen. Das bedeutete, dass es eigentlich halb fünf war, und ich machte mich auf in den Salon.
    Vier meiner Pfarrkinder waren dort beim Tee versammelt. Griselda saß hinter dem Teetisch und versuchte in ihrer häuslichen Umgebung natürlich auszusehen, wirkte aber noch deplatzierter als sonst.
    Ich schüttelte allen die Hand und setzte mich zwischen Miss Marple und Miss Wetherby.
    Miss Marple ist eine weißhaarige alte Dame mit freundlichem, einnehmendem Wesen, Miss Wetherby eine Mischung aus Essig und Sentimentalität. Miss Marple ist die weitaus Gefährlichere von beiden.
    «Gerade haben wir», sagte Griselda mit honigsüßer Stimme, «über Dr. Stone und Miss Cram geredet.»
    Ein frecher Reim von Dennis schoss mir durch den Kopf: «Ach, Miss Cram kennt keine Scham.» Plötzlich hatte ich größte Lust, ihn laut zu sagen und die Wirkung zu beobachten, doch glücklicherweise hielt ich mich zurück.
    Miss Wetherby sagte knapp: «Kein anständiges Mädchen würde es tun», und kniff missbilligend die dünnen Lippen zusammen.
    «Was tun?», fragte ich.
    «Als Sekretärin für einen unverheirateten Mann arbeiten», sagte Miss Wetherby empört.
    «Oh, meine Liebe», sagte Miss Marple, «ich glaube, die verheirateten sind die schlimmsten. Denken Sie an die arme Mollie Carter.»
    «Verheiratete Männer, die von ihren Frauen getrennt leben, sind natürlich die schlimmsten», erklärte Miss Wetherby.
    «Und selbst einige von denen, die mit ihren Frauen leben», murmelte Miss Marple. «Ich denke da an…»
    Ich unterbrach diese unerfreulichen Erinnerungen. «Aber heutzutage kann doch ein Mädchen genauso eine Stelle annehmen wie ein Mann.»
    «Um aufs Land zu gehen? Und im selben Hotel zu wohnen?», fragte Mrs Price Ridley streng.
    Miss Wetherby murmelte leise Miss Marple zu: «Und alle Zimmer sind im gleichen Stockwerk…»
    Miss Hartnell, wettergegerbt und fröhlich und der Schrecken der Armen, erklärte laut und herzhaft: «Der arme Mann wird eingefangen, bevor er noch weiß, wo er ist. Er ist so unschuldig wie ein ungeborenes Baby, das kann man sehen.»
    Merkwürdig ist das mit Redensarten. Auf ein tatsächliches Baby hätte keine dieser Damen auch nur im Traum angespielt, bevor es nicht sicher und sichtbar für alle in der Wiege lag.
    «Widerlich nenne ich das», äußerte Miss Hartnell mit ihrer üblichen Taktlosigkeit. «Der Mann muss mindestens fünfundzwanzig Jahre älter sein als sie.»
    Drei weibliche Stimmen erhoben sich gleichzeitig und machten zusammenhanglose Bemerkungen über den Ausflug des Knabenchors, den bedauerlichen Zwischenfall beim letzten Müttertreff und die Zugluft in der Kirche. Miss Marple blinzelte Griselda zu.
    «Glauben Sie nicht», sagte meine Frau, «dass Miss Cram nur einfach einen interessanten Job haben möchte? Und dass sie Dr. Stone lediglich als Arbeitgeber betrachtet?»
    Es wurde still. Offenbar stimmte keine der vier Damen zu. Miss Marple redete als Erste. Sie tätschelte Griseldas Arm und sagte: «Meine Liebe, Sie sind noch sehr jung. Die Jungen haben ein so unschuldiges Gemüt.»
    Griselda entgegnete ungehalten, dass sie ganz und gar kein unschuldiges Gemüt habe.
    «Natürlich», Miss Marple überhörte ihren Protest, «denken Sie von jedem das Beste.»
    «Glauben Sie wirklich, dass sie diesen glatzköpfigen Langweiler heiraten will?»
    «Soviel ich weiß, ist er recht betucht», sagte Miss Marple. «Ein ziemlich jähzorniger Charakter, fürchte ich. Neulich hatte er einen recht heftigen Streit mit Colonel Protheroe.»
    Alle beugten sich interessiert vor.
    «Colonel Protheroe hat ihn beschuldigt, ein Ignorant zu sein.»
    «Wie typisch Colonel Protheroe, und wie absurd», sagte Mrs Price Ridley.
    «Typisch Colonel Protheroe, aber ich weiß nicht, ob es so absurd ist», entgegnete Miss Marple. «Erinnern Sie sich an die Frau, die kam und
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