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Mord Im Kloster

Mord Im Kloster

Titel: Mord Im Kloster
Autoren: Philipp Espen
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abzuschließen.
    Henri beschäftigte sich wieder mit den Akten. Ein Ritter des Hauses Chigwell hatte mit Zustimmung seiner beiden Söhne dem Tempel die Stadt und die Einwohner von Stapleford Tawney, seine Gemarkung und die hohe Gerichtsherrschaft geschenkt. Ein anderer Ritter, diesmal aus dem Frankenreich, namens Roger von Campagne, hatte einen Teil der Grafschaft Razés übereignet. Henri las aufmerksam die Urkunde und schrieb dann die wesentlichen Passagen ab.
    Da stand: »Ich trete mein Hab und Gut mit all seinen Bewohnern, Männern, Frauen und Kindern, den Gefällen und Abgaben, dem Ackerland, den Wiesen, dem Weideland und Buschwerk, dem bestellten und unbebauten Land, den Wassern und Aquädukten, den Mühlen und Mühlenbannen, den Fischteichen mit allen Rechten ab. Die Tempelbrüder schulden mir auf diesem Besitz weder Gefälle noch Treugeld, weder Wegzoll noch Durchgangszoll.«
    Henri konnte nicht klären, warum Ritter Roger seinen Besitz nicht dem französischen Tempel schenkte. War das nicht ein Affront? Der Ritter hatte wohl seine ganz persönlichen Gründe. Henri schloss die Kopie ab und setzte das Siegel des Tempels von London darunter.
    Schon seit einigen Jahrzehnten bildeten Schenkungen den Grundstock für die Templerkomtureien, ganze Kirchensprengel wechselten den Besitzer, die Kirchenmänner erhofften sich besondere Gnade und größeres Seelenheil, wenn sie den Brüdern im Fleische und Brüdern im Geiste der Miliz des Tempels alles übereigneten. Ein Bischof gab 400 Morgen Land für das Heil seiner Seele, weil er die Schrecken der Hölle fürchtete und die Freuden des Paradieses erlangen wollte.
    Dann hast du falsch gelebt, Bischof, dachte Henri.
    Manche Adlige traten auch selbst dem Tempel bei, entweder als Brüder oder als Donats, dienende Brüder, die den Beitritt später wieder rückgängig machen konnten. Henri notierte die Schenkungen, schrieb Briefe an die Behörden vor Ort und gab Anweisungen, wie mit den Werten umzugehen war, welche Verwalter einzusetzen waren.
    Am einfachsten war es noch, Geldspenden direkt auf die Bank der Templer zu überweisen. Nur Henris Vorgesetzte wussten, wie hoch der finanzielle Besitzstand des Tempels von London inzwischen war. Bald würde Henri de Roslin der Einzige sein, der genau eingeweiht war. Er musste nur die Geduld aufbringen, die Akten zu Ende zu studieren, während draußen die Frühlingsvögel sangen.
    Henri kannte alle Güterverzeichnisse, er wusste auch, dass einige Schenkungen mit Auflagen verbunden waren. Er selbst sollte von einem Waliser einmal verpflichtet werden, für die Übereignung eines Bauerngutes nördlich von Cardiff ein halbes Jahr lang die Waffen in einer Fehde zu tragen. Er hatte abgelehnt. Andere Schenkungen, die ausgedehnte Gebiete betrafen, beinhalteten, dass die Templer sie besiedeln und bestellen sollten. Auch dies war selten zu bewerkstelligen, denn die Brüder waren keine Bauern. Auch auf einem Templerfriedhof bestattet zu werden, in den weißen Mantel mit dem roten Kreuz gehüllt, war sehr begehrt. Renten, Unterhalt und Schutz des Lebens erwarteten manche Stifter als Gegengabe. Henri de Roslin hatte immer gefunden, dass die ehrlichsten Motive von alten Männern kamen, die in den Tempel aufgenommen werden wollten, um dort den Rest ihrer Tage zu verbringen und behütet zu sterben und begraben zu werden.
    Henri stand erneut auf und trat ans Fenster. Jemand schrie auf dem Baugerüst gegenüber und winkte heftig. Unten stand eine junge Frau und schaute geradewegs zu ihm auf. Henri kannte die Frau nicht. Wahrscheinlich war sie in Gedanken versunken oder schaute sich den Sonnenuntergang an. Henri ließ seinen Blick eine Weile auf ihr ruhen. Ein angenehmes Gefühl. Sie meinte eindeutig ihn. Unbeweglich stand sie in der Sonne und schaute empor.
    Henri ging nachdenklich im Zimmer herum. Er war jetzt achtundzwanzig Jahre alt. War dies wirklich das Leben, das er führen wollte? Er erschrak über die Frage, die schon den ganzen Morgen über durch seine Gedanken zog. Er sah keinen Grund für Zweifel. Aber der Anblick der jungen Frau im Tempelhof hatte erneut etwas in ihm ausgelöst.
    Henri versuchte, wieder zu seiner Arbeit zurückzukehren, und musste an die Zeit im Heiligen Land denken. Dort hatte er erfahren, dass die Kämpfe nicht nur mit Waffen geführt wurden. Manche Stifter erinnerten die Templer an die Pflicht, Pilger, Arme und Kranke zu unterstützen. Zahlreiche Spitäler waren von frommen Gläubigen gestiftet worden. Wenn sie nicht die
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