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Mord Im Kloster

Mord Im Kloster

Titel: Mord Im Kloster
Autoren: Philipp Espen
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bedeuten.
    Langsam schlenderten die Freunde zur Hulk zurück. Sie sahen zu, wie die Materialien verladen wurden. Ein hölzerner Kran, in dessen Laufrad mehr als zwanzig halb nackte Männer liefen, hievte die Waren an Deck, wo die Mannschaft sie verstaute. Dann war das Verladen abgeschlossen, die Männer stiegen aus dem Laufrad und wurden von ihren Frauen mit Getränken empfangen.
    Der Kapitän der Hulk winkte ihnen zu. Man ging auf das Schiff. Die Matrosen turnten in die Brassen. Die Leinen wurden losgemacht. Die drei Freunde suchten ihren Platz unter dem hinteren Kastell auf und ließen sich für den Abend nieder.
    In einer leichten Abendbrise blähten sich die beiden Segel. Das Schiff fuhr hinaus auf die offene See, in der sich das Abendrot spiegelte.
     
     
    Noch in dieser Nacht überwältigte Henri de Roslin eine besondere Erinnerung. Er konnte sich nicht dagegen wehren. Es war die Erinnerung an seine Heimat.
    Er starrte zum sternenübersäten Himmel auf. Der Himmel war nah, die Sterne strahlten wie ausgestochen. Und die Bilder seines Wachzustands wurden so stark, dass er das Bedürfnis hatte, sich den Freunden mitzuteilen. Weil auch Joshua und Uthman nicht schlafen konnten, hörten sie dem Freund gerne zu.
    Henri griff einen Gedanken auf, den er vorher gehabt hatte. Er begann von der Zeit zu erzählen, als sie sich noch nicht gekannt hatten. Die beiden Gefährten rückten näher heran und lauschten gespannt.
    Sie verspürten den Zauber der Erinnerung ihres engsten Gefährten. Voller befremdlicher Spannung blickten sie aus der Gegenwart dieser raunenden Nacht mit ihren eigenen Sternen in eine ferne und fremde Zeit und in ein ganz eigenes und einmaliges Leben.
    Und sie begannen sich vorzustellen, wie dieses frühere Leben ihres Gefährten in seinen Auswirkungen, mit seinen Bildern, Menschen und Begegnungen, mit seinen hinterlassenen Wunden, noch immer in ihrem Gefährten Henri verborgen war.
    Wie ein Schatz.
    Aber auch wie der Beginn alles folgenden Unheils.

 
    2
     
     
     
    Frühling 1300, im Tempel zu London
     
    Henri de Roslin dachte nicht an die kommenden Jahre. Für ihn gab es keine Zeit nach dieser Zeit. Das lag daran, dass er noch jung war. Und daran, dass er eingespannt war in den Alltag von Tag und Nacht im Tempel von London. Er schwamm wie ein Fisch im Wasser in seinem Alltag und kam kaum zum Schlafen. Seine Ausbildung zum Fiskal des Tempels war fast abgeschlossen. Aber noch musste er die letzten Lektionen bewältigen.
    Man hatte ihm gesagt, dass sein Freund Neville of Gwyn ihn unbedingt sprechen wollte. Aber Henri war in strenger Klausur, er büffelte Zahlen und Organisationsstrukturen. Der Tempelbruder hatte einige Zeit vor dem Unterrichtsgebäude gewartet und war dann gegangen. Henri de Roslin war verwundert, denn Neville wusste, dass er während der Unterweisung keinen Besuch empfangen durfte. Henri hatte versucht, ihm vom Turm aus zuzuwinken, aber Neville hatte es nicht bemerkt.
    Henri dachte mit Sympathie an Neville, der junge Magister war ihm ans Herz gewachsen, seit er als fertiger Medicus vom Heiligen Stuhl in Rom nach London gekommen war. Sie saßen meistens vor dem Schlafengehen zusammen und sprachen über die zurückliegende Zeit im Heiligen Land.
    Henri beschäftigte die Frage, ob er noch einmal Palästina sehen würde. Was geschah mit dem Besitz des Tempels, jetzt, da die lateinischen Staaten des Heiligen Landes zu existieren aufgehört hatten? Sein Präzeptor hatte vorgeschlagen, eine kleine, geheime Armee aufzustellen, die zumindest den beweglichen Reichtum heim in den Tempel des Okzidents holte. Henri war der Gedanke abenteuerlich vorgekommen, aber er hatte ihn fasziniert. Würde er auf diese Weise doch noch einmal kämpfen dürfen? Aber im Augenblick beugte er sich nur über seine Papiere und versuchte zu begreifen, worin der Unterschied zwischen einer Stiftung und einer Schenkung lag.
    Henri de Roslin blickte nachdenklich aus dem Fenster des Templersitzes. Die weißroten Fahnen flatterten in der Frühlingssonne. Er seufzte. Es wäre schön, unten im Garten in der Wärme zu sitzen. In den dicken Mauern der Gebäude war es noch winterkalt. Das förderte die düsteren Gedanken.
    Er stand auf, trat ans Fenster und sah, wie auf dem Gerüst gegenüber Bauarbeiter herumgingen, die Überholung der Tempelkirche war beinahe fertig gestellt. Der junge Baumeister John Sandys und seine Steinmetze aus der Bauhütte Holborn würden es schaffen, die Arbeiten noch vor dem geplanten Termin
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