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Mord Im Kloster

Mord Im Kloster

Titel: Mord Im Kloster
Autoren: Philipp Espen
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Schiffswänden bauen.
    Alles auf diesem Schiff machte einen soliden Eindruck. Sechs patrouillierende Bewaffnete auf der hinteren, hochbeinigen Kampfplattform, dem Kastell, verstärkten noch das Gefühl von Sicherheit. Aber Henri hatte ebenso schmerzlich wie seine Gefährten erfahren müssen, wie trügerisch ein solches Gefühl im Ernstfall sein konnte.
     
     
    Während der Fahrt über die ruhige See hatten die Gefährten genug Muße, um immer wieder an die zurückliegenden Gefahren und Abenteuer zu denken. Erst jetzt, in der Ruhe, kamen die Bilder der Erinnerung mit Macht zurück. In all den Strapazen hatten sie auch die Bewährungsprobe gesehen. Vor allem die für ihre Freundschaft. Es hatte sie fester verbunden als alles Geschehene zuvor. Warum sollten sie sich jemals wieder trennen?
    »Aber vielleicht sollten wir uns nicht erinnern«, sagte Henri. »Denn nur in der Erinnerung sind wir getrennt. Es ist schwer vorstellbar. Aber es gab eine Zeit, da kannten wir uns noch nicht. Wir ritten über drei verschiedene Kontinente, so als wären es drei verschiedene Lebenszeiten. Und doch war es eine einzige, ungeteilte Zeit. Doch dann kreuzten sich durch Gottes Ratschluss schließlich unsere Wege.«
    »Es war ein kluger Ratschluss Allahs«, lachte Uthman. »Er muss erzieherische Absichten damit verbunden haben, denn ich habe viel von deiner Keuschheit profitiert, Henri.«
    »Du warst ein wilder Hund, als ich dich kennen lernte! Du hast es nur deinem Vater zu verdanken, dass du nicht auf die schiefe Bahn geraten bist.«
    »Joshua war immer schon brav«, sagte Uthman. »Er ist unser leuchtendes Beispiel.«
    Joshua fühlte bei Uthmans Worten etwas ganz anderes aufsteigen – eine innere Hitze. Er musste an seine junge, christliche Haushälterin Mara in Toledo denken, eine einfache Frau, die er insgeheim verehrte. Liebte er sie nicht sogar?
    »Hört mal«, sagte Henri, »wie wäre es, wenn wir in Strelasund einen gemeinsamen Gottesdienst abhielten? Ich hörte, die Kaufleute wollen dort ihre Fahrt unterbrechen, um neue Ware zu laden. Es wäre vermutlich das erste Mal, dass die Anhänger der drei Religionen Gott zusammen verehren.«
    »Du bist ein richtiger Menschenfischer, Henri«, sagte Uthman. »Wie dein Prophet.«
    »Er war nicht mein Prophet. Jesus ist der Sohn Gottes – Und auf diesem Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.«
    »Amen«, sagte Joshua und schlug Henri freundschaftlich auf die Schulter.
    »Es klappt«, sagte Uthman. »Wir streiten uns bei allen erlaubten Unterschieden nur mäßig. Wir verkörpern verschiedene Ansichten, aber es führt nicht zum Krieg. Jedoch täuscht euch nicht, das Schwert eines Sarazenen rostet nie – also Vorsicht!«
    »Und nun sollten wir essen gehen«, schlug Henri vor. »Der Koch der Hulk gibt schon Zeichen. Auch das ist gemeinsames Handeln – ein Jude, ein Muslim und ein Christ essen zusammen ausgenommene Ostsee-Heringe mit rohen Zwiebeln.«
    »Der Genuss von Fisch führt immer zur Mäßigung«, sagte Joshua.
     
     
    Die Hulk lief am Nachmittag Strelasund an. Die Hansestadt vor Rügen erstrahlte an diesem frühen Julitag mit allen ihren vergoldeten Kirchenkuppeln. Während die Kaufleute am Hafen Rohmaterial für Werkzeuge aufluden und dafür Marderfelle tauschten, nutzten die drei Gefährten die geschenkte Zeit für einen Besuch des Doms. Synagoge und Moschee gab es im christlich kolonisierten Strelasund nicht.
    Sie begannen, eine gemeinsame, in den Kirchenbüchern nicht vorhandene Juli-Andacht zu halten. Jeder kniete und betete inbrünstig. Der Inhalt ihrer Gebete waren nicht die Glaubensinhalte von Christentum, Judentum, Islam, sondern die Feier ihrer Freundschaft. Sie setzten an die Stelle der Dreieinigkeit Gottes die Dreieinigkeit ihres persönlichen Glaubens. Jeder dachte seinen Teil hinein. Sie waren überzeugt davon, dass sie nicht ketzerisch handelten. Und als sie sich wieder erhoben, fühlten sie, wie ihre Freundschaft gefestigt war.
    Strelasund war eine schöne Stadt. Sie lag inmitten eines heidnischen Hinterlandes, aber man lebte zur Zeit friedlich. Die Freunde erinnerten sich, wie sie auf der Hinfahrt nach Osten auf Rügen Bekanntschaft mit slawischen Göttern gemacht hatten. War nicht jeder Glaube eingebettet in die Erfahrung eines Naturjahres? Besaß nicht jedes kultische Handeln einen natürlichen Rahmen zwischen Geburt und Tod, zwischen Jahresanfang und Jahresende? Wer konnte sich darüber erheben – selbst,
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