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Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates
Autoren: Sascha Berst
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erkannte das Zeichen des persischen Großkönigs und die Siegel Thebens und Spartas. Anaxos räusperte sich. Er beanspruchte meine Aufmerksamkeit.
«Außerhalb der Stadtmauern», antwortete er. «Die Familie hat ihren Sitz in der Nähe der Straße nach Kephisia. Ich werde dir den Weg zeigen lassen. Du brauchst einen Wagen.»
«Gibt es Zeugen?», fragte ich.
«Bisher haben wir keine gefunden. Wir wissen noch gar nichts», antwortete er bedauernd, «umso wichtiger ist es, dass du deine Arbeit gleich aufnimmst. Und sorge dafür, dass Perianders Familie schnell davon erfährt.» Mit einem Handzeichen gab er zu verstehen, dass ich ihn nun verlassen solle.
«Gut», schloss ich das Gespräch, «ich werde zuerst zum Tor gehen und mir den Fundort der Leiche ansehen. Dann gehe ich zum Haus des Toten. Kannst du nach einem Arzt schicken, der den Leichnam untersucht?»
«Das werde ich tun», antwortete er ein wenig erstaunt. «Ich schicke dir den Besten, den wir haben.»
Anaxos erhob sich, ergriff meine Schultern, wie Alkibiades dies bei meiner Begrüßung getan hatte, und wünschte mir Glück. Dann führte er mich durch die Gänge das Strategions zurück zum Hauptportal, wo Lykon auf mich wartete. Neben meinem Freund lagen unsere Gewänder, gefaltet, gesäubert und parfümiert. Anaxos gab uns Zeit, uns umzuziehen, dann verabschiedete er sich.
«Wenn du Hilfe benötigst oder Fragen hast, dann wende dich an uns», sagte er, «wir wissen vieles in diesem Palast, was anderen verborgen ist. Und vergiss nicht, Bericht zu erstatten – alle drei Tage. Schreibe nicht, sondern trage mir vor, keinem anderen. Hast du verstanden? Die Wachen werden dich jederzeit durchlassen.»
Ich nickte. «Ja, Herr.»
«Dann geh jetzt.»
Kaum hatte er dies gesagt, drehte er sich um und verschwand in den Gängen. Lykon schien aufzuatmen. Ich gab ihm ein Zeichen, hinauszugehen und zu schweigen.
    Draußen waren die Schatten länger geworden, und das Leben hatte wieder Besitz von Athen, seinen Straßen und Plätzen ergriffen. Haussklaven waren mit großen Körben in Richtung Agora unterwegs, um für den Abend einzukaufen; Männer standen in Gruppen und schwatzten. Drei meiner Bogenschützen patrouillierten vor dem Areopag. Ich rief sie zu mir. Es waren zuverlässige Leute. Einen wies ich an, zu mir nach Hause zu gehen. Er sollte meiner Frau und meinem Vater ausrichten, ich würde erst spät nach Hause kommen, sie sollten sich aber nicht sorgen. Den anderen beiden befahl ich, die Unteroffiziere zu verständigen. Morgen früh schon wollte ich sie treffen. Die Soldaten nickten, grüßten und gingen.
    Vor den Stufen des Strategions wartete schon ein Wagen auf uns. Es war ein schöner Zweispänner, die schwarzen Rosse glänzend und schlank. Alkibiades besaß weit und breit die schönsten Pferde. Lykon fragte, was der Hegemon gewollt habe, und ich erzählte kurz vom Mord an Periander und meinem Auftrag. Über Alkibiades’ Motive sprach ich nicht, und Lykon fragte auch nicht weiter nach.
    «Meinst du, du bist in Gefahr?», fragte er besorgt. «Ja», antwortete ich.
Schweigend gingen wir zum Wagen und stiegen auf. Der
    Kutscher nickte uns zu und sprengte los. Er war ein grober Kerl und hatte eine Narbe, die ihm beinahe das ganze Gesicht spaltete. Sie reichte vom rechten Auge über die Nase bis zur linken Wange und gab seinen ohnehin unschönen Zügen einen rohen Ausdruck. Und ebenso fuhr er auch. Er jagte mit uns durch Straßen und Gassen in Richtung Itonia-Tor und nahm nicht die geringste Rücksicht auf die Menschen: Frauen, Kinder, Alte und Junge hatten beiseitezuspringen, sobald er angejagt kam. Einmal hätten wir beinahe ein altes Weib umgefahren. Durch einen Sprung in eine Ecke voller Unrat konnte sich das arme Geschöpf gerade noch retten. Unser Fahrer aber blieb ungerührt und gab den Pferden die Peitsche.
    Am Itonia-Tor erwarteten uns zwei Epheben in voller Rüstung. Mit gekreuzten Lanzen und ernsten Gesichtern bewachten die jungen Wehrpflichtigen den Winkel, den das Tor und das angrenzende Zollhaus bildeten, und hielten die neugierigen Passanten zurück. Ich stieg vom Wagen. Sie verneigten sich und gaben den Weg frei. Ich suchte den Boden ab, aber es gab nicht viel zu sehen. Auf dem trockenen, festgestampften Lehm waren nur schwach einige Fußspuren zu erkennen. Ein Fleck schwarzen, geronnenen Blutes verriet die Stelle, wo Perianders Körper gelegen haben mochte.
    «Habt ihr beiden den Toten gefunden?», fragte ich die jungen Männer. Nein, man hatte sie
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