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Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates
Autoren: Sascha Berst
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gerufen, um dabei zu helfen, den leblosen Körper auf einen Wagen zu legen. Sie hatten den Toten aber noch so liegen sehen, wie man ihn entdeckt hatte. Das Blut stammte von ihm. Die Leiche hatte verkrampft auf dem Bauch gelegen, Hinterkopf, Mund und Nase blutverschmiert. Außer dem Körper des Toten hatte man nichts weiter entdeckt.
    «Auch keine Fackel oder Lampe?», wollte ich wissen. Eigentlich musste Periander ein Licht bei sich gehabt haben, wenn er nachts unterwegs war, denn die Straßen waren unbeleuchtet und der Mond derzeit jung. Aber nein, keine Fackel, keine Lampe.
    «Wie war er gekleidet?», fragte ich.
    «Er trug einen hellen Chiton» antwortete der größere der beiden. Einen Mantel habe man nicht gefunden, auch keine Kopfbedeckung, keine Schuhe oder Sandalen. Mehr wussten die beiden nicht. Ich ließ sie in Frieden und betrachtete die Fußspuren genauer. Die Mehrzahl von ihnen stammte von schlichten Sandalen und konnte den Helfern wie dem Mörder gehören. Sie waren kaum brauchbar. Nur ein Abdruck zwischen diesen Spuren war nicht so leicht zuzuordnen und schien mehr zu einem Schnabelschuh als zu einer Sandale zu passen. Ich rief Lykon zu mir und bat ihn, den Boden mit mir zusammen genauer zu untersuchen, aber auch er konnte weiter nichts entdecken. Es fanden sich weder Spuren eines Kampfes noch Schleifspuren oder Abdrücke eines Wagens. War Periander hier ermordet worden, war dies schnell geschehen und ohne dass er sich noch hätte wehren können. Hatte man ihn hergebracht, musste er getragen worden sein.
«Was meinst du», fragte ich Lykon, «ist Periander hier erschlagen worden?» Lykon nickte. Ich entdeckte eine Träne in seinen Augen. Die Sache schien ihm nahezugehen. Ich beschloss weiterzuziehen und entließ die jungen Soldaten. Hier gab es für sie nichts mehr zu bewachen und für uns nichts zu entdecken.
    «Zu Perianders Vaterhaus, aber langsam und in Ruhe», befahl ich dem Wagenlenker beim Aufsteigen. Er sah mich an, als hätte ich etwas Unanständiges gesagt.
unser weg führte uns am Tempel des Olympischen Zeus vorbei zur Stadt hinaus. Ich liebte diesen groß und prächtig angelegten, aber seit Jahrzehnten unvollendeten Tempel, auch wenn der Bau stillstand, seit ich denken konnte. Mit dem Ende des Krieges gegen Persien hatten die Athener die Arbeiten begonnen, mit Beginn des Krieges gegen Sparta brach man sie ab, und ebenso wenig, wie ein Ende des Krieges abzusehen war, war mit der Vollendung des Bauwerkes zu rechnen. Was das größte Heiligtum der Stadt werden sollte, stand nun ungeweiht im klaren Licht der Sonne, und die höchsten Marmorsäulen, die Hellas je erblickt hatte, ragten in die Höhe, ohne ein Dach zu tragen.
Vom Tor aus verließ unser Fahrer die inneren Stadtmauern. Er folgte der Straße nach Kephisia, bis er an einem Pinienhain abbog, in dessen Schutz und von außen beinahe unsichtbar eine hohe Mauer aufragte. Wir bogen ab und kamen an ein Tor.
«Da ist es», sagte er mürrisch und hielt den Wagen an. Am Tor standen zwei Wachen mit Schilden und Äxten. Ihre Waffen, die Beinkleider, die nur von Barbaren getragen wurden, und ihr helles Haar verrieten sie als Söldner, vermutlich Kelten aus den nördlichen Ländern.
«Was wollt ihr?», fragte einer der Barbaren in feindlichem Ton, noch ehe wir richtig angekommen waren. Seine blauen Augen blitzten kalt.
Ich stieg von unserem Wagen und ging auf ihn zu.
«Ich bin Nikomachos, der Hauptmann der Bogenschützen», sagte ich, «Alkibiades, der Hegemon, schickt uns, um mit dieser Familie zu trauern und ihr seinen Arm zur Hilfe anzubieten.» Ich gab der Wache meine Vollmacht und eine Münze, damit sie mein Anliegen mit Wohlwollen vortragen würde. Der Söldner nickte und hieß uns zu warten – jetzt schon ein wenig freundlicher. Er verschwand hinter dem Tor.
«Wie lange wird es wohl dauern?», fragte ich den zweiten Kelten nach einer Weile. Er war ein Hüne mit roten Zöpfen und wildem Gesicht, aber er sah nur starr vor sich hin und blieb stumm. Vielleicht verstand er mich noch nicht einmal.
Es dauerte lange, bis sich die Flügel des Tores auftaten und ein vornehmer und augenscheinlich reicher Athener uns empfing. Er war etwa fünfzig Jahre alt, seine Haltung war aufrecht und gebieterisch. Eine Tonsur im grauen Haar verriet uns die aristokratische Abstammung und wies ihn, für jedermann erkennbar, als Gegner der Volksherrschaft aus; die Oligarchen machten keinen Hehl aus ihrer Gesinnung. Ungeachtet der Hitze trug er nicht nur einen blauen
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