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Mord an der Mauer

Mord an der Mauer

Titel: Mord an der Mauer
Autoren: L Keil
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Menschen getötet wurden, nur weil sie von einem Teil der Stadt in einen anderen wollten. Diese SED-Feindschaft des Gefühls und Verstands war eine große Kraft, und sie war weit entfernt von jener Torheit, die ihr törichterweise der späte Thomas Mann unterstellte, als er 1944 sagte, der Antikommunismus sei »die Grundtorheit unserer Epoche«. Junge Berliner konnten 1962 nicht verstehen, warum weder die West-Berliner Polizei noch amerikanische Soldaten einschritten, um den verletzten Peter Fechter zu bergen oder gar gegen das Mauerregiment bewaffnet vorzugehen. Darin war nichts Dumpfes, es zeigten sich darin Empathie und ein Freiheitsimpuls. West-Berlin war wirklich eingeschlossen und von Unfreiheit umzingelt – für jeden, der Augen zum Sehen und ein Herz zum Fühlen hatte, war das tagtäglich zu erleben. Es gehört zu den rätselhaften und hässlichen Seiten der bundesdeutschen und West-Berliner Geschichte, dass dieser vitale und überlebenswichtige Antikommunismus in den späteren Jahrzehnten der alten Bundesrepublik als unaufgeklärt, ressentimentgeladen und den Frieden gefährdend wahrgenommen werden konnte. Ein genauer Blick auf die West-Berliner Reaktionen nach dem Tod Peter Fechters zeigt schmerzhaft, was verloren ging, als der Antikommunismus zum Störenfried erklärt worden ist.
    Es gibt wohl eine dem Menschen innewohnende Sehnsucht nach Freiheit, nach Selbstbestimmung, ein Bedürfnis danach, das eigene Leben in die Hand zu nehmen, die Welt zu erkunden und dem Staat nicht zu erlauben, den Einzelnen zum Mündel zu machen. Dieses Feuer brannte in Peter Fechter, der an der Mauer zu Tode kam. Und in seinem Gefährten Helmut Kulbeik, dem die Flucht gelang, der im Westen aber kein Glück fand: Auch das Scheitern ist ein Weg der Freiheit. Und bei vielen derer, die nicht den Mut zur Flucht hatten oder aus persönlichen und familiären Anhänglichkeiten in der DDR blieben, brannte dies Feuer nicht minder. Man stellt sich die Diktatur oft als einen vollkommen funktionierenden Zusammenhang von Überwachen und Strafen vor, in dem für Abweichung schlicht kein Platz ist. Dass dem nicht so ist, auch das beweist der Fall Peter Fechters. Wenn in der DDR im Jahre 1962 jemand Unperson war, über den zu reden und sich auszutauschen tabu war, dann war es jeder, der – erfolgreich oder nicht – die Flucht aus dem vorgeblichen Arbeiter- und Bauernparadies wagte. Als aber Peter Fechter am 27. August 1962, einem sonnigen Tag, in Ost-Berlin beerdigt wurde und Volkspolizei wie Stasi den Friedhof genauestens überwachten – da kamen etwa 300 Menschen, um dem toten Maurergesellen, der ein ganz normaler junger Mann gewesen war, das letzte Geleit zu geben. Eine mutige, alles andere als selbstverständliche und nicht ungefährliche Geste der Verbundenheit, des Freiheitswunsches und der Solidarität mit der Familie des Toten, der für Ulbrichts Staat am 17. August 1962 vom Untertanen zum Paria wurde.

Danksagung
    Ein Buch wie dieses kann nur entstehen durch die Zusammenarbeit vieler Menschen. Die Autoren möchten sich in erster Linie bedanken bei den Angehörigen von Peter Fechter, die bereit waren, ihre oft schmerzhaften Erinnerungen mit uns zu teilen. Es waren dies Gisela und Klaus Geue, Jutta Döring und Simone Schicke sowie Jürgen und Mario Remmert. Den Augenzeugen Renate Haase und Wolf-Dieter Zupke danken wir für die plastische Schilderung der Situation am 17. August 1962 und den Einblick in die Folgen für ihr persönliches Leben. Herbert Ernsts Schilderungen waren gleichfalls von großer Bedeutung. Susanne Reimann und Manfred Kulbeik ergänzten eine wichtige Perspektive genau wie Monika Hennig. Heinrich und Dagmar Mularczyk möchten wir für ihre Offenheit danken, Gerd Reisich, Hartmut Moldenhauer und Heinz Schäfer trugen wichtige Facetten bei. Einige weitere Zeitzeugen wollen nicht namentlich genannt werden, weder im Buch noch in der Danksagung. Daran halten wir uns selbstverständlich.
    Für Unterstützung bei unseren Recherchen danken wir Dr. Bärbel Fest (Polizeihistorische Sammlung Berlin), Annelie Rosenmüller (Stasiunterlagen-Behörde), Dr. Maria Nooke (Gedenkstätte Berliner Mauer), Dr. Hans-Hermann Hertle (Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam), Barbara Friese (Bibliothek und Dokumentation im Berliner Abgeordnetenhaus), Heinz Heinichen (Kirchhofsverwaltung der Evangelischen Auferstehungsgemeinde Berlin-Weißensee), Ulrich Giersch (Edition Panorama Berlin), Alexandra Hildebrandt (Museum Haus am
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