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Mord am Vesuv

Mord am Vesuv

Titel: Mord am Vesuv
Autoren: John Maddox Roberts
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haarsträubenden Rechtfertigungsversuch die Zeit geraubt hast und wir die Sitzung somit pünktlich zum Mittagessen schließen und uns ohne Verzug in die Bäder begeben können.«
    Ich ließ meine Worte wirken und fuhr fort: »Deshalb verurteile ich dich weder zum Tod durch Kreuzigung noch lasse ich dich in der Arena gegen die Löwen antreten. Ich stelle hiermit fest, dass der beklagenswerte Todesfall die Folge eines auf eine ordinäre Schlägerei zurückzuführenden Missgeschicks war. Dafür jedoch, dass du das Blut eines Bürgers vergossen hast - von seinem verspritzten Hirn gar nicht erst zu reden -, und dafür, dass du die öffentliche Ruhe und Ordnung gestört hast, verurteile ich dich zu fünf Jahren Dienst als Staatssklave. Dein Herr wird die Gemeinde von Cumae sein. Wollen wir hoffen, dass du in den fünf Jahren, in denen du die Gossen und Kloaken der Stadt reinigst, ein besserer und rücksichtsvollerer Mensch wirst und nicht mehr soviel trinkst!«
    Dem Angeklagten fiel für jeden sichtbar ein schwerer Stein vom Herzen. Die Menge applaudierte und bekundete mit lauten Rufen, dass dies wieder mal ein echtes Beispiel für die unanzweifelbare Gerechtigkeit der römischen Rechtsprechung sei. In Wahrheit betrachteten wir Mord sowieso nicht als ein wirklich schweres Verbrechen, jedenfalls solange weder Gift noch Magie im Spiel waren; und wenn jemand während einer fair ausgetragenen Schlägerei ums Leben kam, galt dies im Grunde niemals als Mord. Der vor mir stehende Angeklagte hatte lediglich das Pech, dass der Tote ein Bürger war und er nicht. Ohne jeden Zweifel machte er bereits Fluchtpläne.
    Ich erklärte den Gerichtstag für beendet und freute mich auf einen angenehmen Nachmittag, den ich essend und badend in geselliger Runde verbringen wollte. Als ich das Podium gerade verlassen wollte, fiel mir unter den zufrieden auseinander strebenden Zuschauern ein Mann auf, der einen enttäuschten Eindruck machte. Er war ungewöhnlich groß, hatte ein dunkles Gesicht mit habichtähnlichen Zügen und trug einen dunklen, eckig zurechtgestutzten Bart. Sein langes Gewand war aus feinstem Material und von unzähligen Goldfäden durchzogen.
    Ich schickte einen meiner Liktoren und ließ den Mann herbeizitieren.
    Er setzte sich unverzüglich in Bewegung. »Willkommen in Cumae, Praetor«, begrüßte er mich lächelnd. »Es ehrt mich, dass du mich zu sprechen wünschst.« Den Blick auf die Magistrate der Gemeinde gerichtet, die die Nase wie immer hoch trugen und so taten, als hätten sie ihn nicht gesehen, fügte er hinzu:
    »Du erweist mir mehr Ehre, als mir nach Meinung einiger hier Anwesender gebührt.«
    »Und wenn schon«, entgegnete ich, »ich kann tun und lassen, was ich will. Gehe ich recht in der Annahme, dass du Gaeto der Numider bist?«
    »Genau der bin ich.«
    »Deinen Sohn habe ich bereits kennen gelernt. Die Ähnlichkeit ist nicht zu übersehen. Kommst du oft zu Gerichtsverhandlungen?«
    »So oft ich kann. Ich werfe gern einen ersten Blick auf die zur Sklaverei Verurteilten. Wenn du den Griechen nicht der Gemeinde zugewiesen hättest, hätte ich versucht, ihn zu ersteigern.«
    »Vermutlich dürften deine Geschäfte in letzter Zeit nicht besonders gut gehen - bei all den Kriegsgefangenen aus Gallien, mit denen Italia überschwemmt wird.«
    »Ich kann nicht klagen. Die meisten von ihnen haben nichts gelernt. Sie taugen bestenfalls für die Arbeit auf den Feldern.
    Ich hingegen setze nicht auf Masse, sondern auf Qualität. Im Moment zum Beispiel sind ausgebildete Seeleute sehr gefragt.«
    »Erlaube mir eine Frage - wie, bitte schön, kann ein Kapitän einen versklavten Seemann an der Flucht hindern?«

    »Wohin sollte so ein Sklave denn fliehen? Das Meer ist doch in Wahrheit nichts anderes als ein römischer See. Im Westen müsste er bis hinter die Säulen des Hercules kommen und im Osten bis zum äußersten Ende des Pontus Euxinus, und selbst wenn er das schaffen sollte, müsste er unter Wilden leben. Nein - da zieht er es vor, auf dem Schiff zu bleiben und seiner Arbeit nachzugehen. Als freier Seemann müsste er schließlich genau die gleichen Arbeiten verrichten, bekäme das gleiche Essen, und auch was die Gefahren auf See und den Gehorsam gegenüber seinem Kapitän anbelangt, gäbe es keinen Unterschied. Das Einzige, was wirklich anders wäre, wäre die Entlohnung, aber welcher klar denkende Mann würde schon wegen ein paar läppischer Denare ein Leben in der Zivilisation gegen ein Leben bei den Barbaren
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