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Mord am Vesuv

Mord am Vesuv

Titel: Mord am Vesuv
Autoren: John Maddox Roberts
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mein Vater ein junger Mann war, war das Wort »Samnite« noch gleichbedeutend mit »Gladiator«, denn damals waren die meisten der samnitischen Kriegsgefangenen dazu verdammt, diesem aufregenden, wenn auch ziemlich risikoreichen Beruf nachzugehen.

    Während Julia und ihre Freundinnen die Sehenswürdigkeiten der Stadt besichtigten, hielt ich mit Unterstützung meines Assistentenstabs Gericht. Die Basilika war ganz passabel: ein imposantes Gebäude, das man in den Jahren errichtet hatte, als Cumae römische Kolonie geworden war. Wenn sie auch nicht so erhaben wirkte wie die riesige neue Basilica Aemilia in Rom, die kürzlich von einem Mitglied der Aemilii wieder aufgebaut worden war - mit Caesars Geld natürlich -, so war sie doch wohlproportioniert und geschmackvoll dekoriert.
    Bei gutem Wetter baute man auf den Stufen der Basilika ein Podium auf, das von einem kunstvoll gearbeiteten, Schatten spendenden Sonnensegel überragt wurde und von dem aus man das Forum der Stadt überblickte. Als ich, angeführt von meinen Liktoren und umgeben von meinen Assistenten, meinen Platz einnahm, hörte das tumultartige Treiben auf dem Forum abrupt auf. Die Müßiggänger erhoben sich bis auf ein paar verkrüppelte Bettler, und als Zeichen des Respekts richtete das versammelte Volk seinen Blick in Richtung Podium. Ich deutete das als ein gutes Omen. Es bedeutete, anders als wenn mir finstere Blicke und missbilligendes Geraune entgegengeschlagen wäre, dass die Leute zufrieden waren.
    Warum sollten sie auch nicht zufrieden sein? Sie waren angesehene Bürger des mächtigsten Imperiums, das es je auf der Welt gegeben hatte, und genossen sämtliche Vorzüge unseres Staatssystems, ohne in die politischen Ränkespielchen der Hauptstadt hineingezogen zu werden. Und welches Rechtssystem auch immer sie vorher gehabt haben mochten - die römische Rechtsprechung stellte auf jeden Fall eine Verbesserung dar.
    Ein Mann, der die gestreifte Toga eines Auguren trug und einen Krummstab in der Hand hielt, verkündete feierlich, dass die Omen Gutes verhießen und nichts gegen die Durchführung der öffentlichen Geschäfte spreche. Ein Priester brachte die erforderlichen Opfer dar, und somit waren wir bereit anzufangen. Ein junger Verwandter von mir namens Marcus Caecilius Metellus trat vor und rief über den Platz:
    »Bürger von Cumae! Darf ich um eure Aufmerksamkeit bitten! Der angesehene Praetor Peregrinus Decius Caecilius Metellus der Jüngere ist im Auftrag des Senats und des römischen Volkes aus Rom hierher gekommen, um eure Fälle zu verhandeln, in die Ausländer verwickelt sind, und sein Urteil zu verkünden. Es lebe der Senat und das römische Volk!«
    Die Menge wiederholte seine letzten Worte mit leidenschaftlicher Begeisterung. Marcus hatte eine gute und geschulte Rednerstimme. Er war damals ungefähr achtzehn und stand gerade am Beginn seiner politischen Laufbahn; er sollte demnächst als Militärtribun dienen. Wir nannten ihn Zentaur, weil er verrückt nach Pferden war und als Militärtribun unbedingt zur Kavallerie wollte.
    Eine schnatternde Schar örtlicher Beamter erklomm das Podium und gesellte sich zu uns. Wie viele andere italische Städte auch, wurde Cumae von jährlich neu gewählten duumviri regiert: zwei lokalen Machthabern, die einander mit Argusaugen überwachten und darauf achteten, dass der Kollege bloß nicht mehr in die eigene Tasche steckte als man selber. In den unteren Ämtern standen ihnen drei Praetoren, eine Handvoll Aedilen und jede Menge weitere Staatsdiener zur Seite, in der Regel alles Männer, die selbst schon duumvir gewesen waren und es der Reihe nach auch wieder werden würden. All diese Männer entstammten drei oder vier berühmten Familien, die es für ihr selbstverständliches Recht hielten, die politischen Ämter unter sich aufzuteilen. Im Prinzip galt das Gleiche für den Senat in Rom, nur dass das Aufgebot an vornehmen Familien dort um einiges größer war.
    »Sind genügend Equites anwesend, damit wir sie falls nötig als Geschworene einsetzen können?«, fragte ich einen der beiden duumviri.
    »Kein Problem«, erwiderte er. »Wir sind hier nicht in Rom.
    Wir nehmen selten mehr als zwanzig oder dreißig Geschworene.«
    Bei römischen Gerichtsverhandlungen waren Hunderte von Geschworenen keine Seltenheit. Man ging davon aus, dass selbst die reichsten Männer Schwierigkeiten hätten, so viele auf einmal zu bestechen. Was aber nicht hieß, dass einige es nicht trotzdem versuchten, und sogar mit
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