Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Titel: Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)
Autoren: Maximo Duncker
Vom Netzwerk:
denen überall dieselbe graue, zerfallene Masse vor sich hinzubraten schien, obwohl die Aushänge mal »Champignonpfanne«, mal »Bratkartoffeln« versprachen, dann wieder »Schaschlik in Soße« oder »Nasi Goreng«. In den anderen Buden gab es hauptsächlich blinkenden Tinnef aus China, aber auch handgeschnitzte Räuchermännchen, Nussknacker und Schwibbögen aus dem Erzgebirge, was dem Büdchendorf trotz der Jahreszeit und der fast sommerlichen Temperaturen einen Hauch von Weihnachtsmarkt verlieh. Und tatsächlich war Bruno, als könnte er durch die schweren Essensdünste hindurch einen leichten Tannenduft erschnuppern.
    Bruno erkannte den Brunnen der Völkerfreundschaft, wo er und seine Frau früher manchmal nach Stunden des Bummelns gerastet und eine Currywurst gegessen hatten. Wenn es warm gewesen war, hatten sie dabei die nackten Füße ins Wasser hängen lassen. Jetzt war das Wasserspiel abgestellt. Auf dem Brunnenrand saßen zwei Dutzend Besoffene herum, ein Drittel davon weiblich, die allesamt wie Punks kostümiert waren. Die von der billigen Sorte. Das Rudel Hunde, zu dem sich ihre struppigen, hinkenden und verlausten Köter vereinigt hatten, strich, sich selbst überlassen, an den Rückseiten der Fressbuden herum. Manche der Hunde hoben das Bein, andere fraßen von Resten, die sie dort entdeckten. Ihr Kläffen und Jaulen mischte sich mit dem lallenden Geschrei ihrer Herr- und Frauchen zu einem Soundtrack des Grauens.
    Das Einkaufszentrum Alexxa sah aus, als habe sich ein Teil der Hölle nach außen gestülpt, exakt drei Etagen hoch. Hässlich. Rosa. Die Farbe eines erbrochenen Pasta-Gerichts mit Tomatensugo. Obwohl es Mittag an einem Werktag war, stauten sich die Menschenmassen vor dem zentralen Eingang. Was allerdings zu einem Gutteil Schuld der Würstchenverkäufer war, die, es waren fünf in lockerer Reihe, ihr verschrumpeltes Bratgut ausgerechnet dort anboten. Was Bruno noch nie gesehen hatte: Die Wurstverkäufer standen nicht etwa hinter den heißen Grills, nein, sie trugen sie vor dem Bauch, sie hatten sie umgeschnallt. Zwei von den fünfen saßen sogar im Rollstuhl. Es war kaum zu glauben: Sie saßen im Rollstuhl und ihnen hing ein heißer Grill um den Hals. Ein bisschen schien es, als seien die Wurstverkäufer mit den funktionierenden Beinen neidisch auf die mit den gelähmten. Die verkauften wahrscheinlich mehr Bratwürste, wegen des Mitleidseffekts, und sie saßen bequem, wenn auch für immer. Jedenfalls lungerten die Wurstbrater im Abstand von je zwei Metern in einer Reihe vor dem Alexxa herum und hielten den Verkehr auf. Es kauften Menschen Würste, die rauskamen, und es kauften Menschen Würste, die hineinwollten. Bruno wollte nur raus, dabei war er noch nicht einmal drin.
    Zwei Stunden blieben sie in der rosa Hölle, dann hatten sie eine Hose gefunden, die ungefähr so aussah wie Brunos alte: beige, billig und synthetisch. Und das, obwohl sie aus hundertprozentiger Bio-Baumwolle bestand. Doch Kai van Harm, den beim Betreten des Konsumtempels eine unendliche Müdigkeit überfallen hatte, hatte Bruno weder zu einer legeren Jeans überreden können noch zu einer klassischen Cordhose für den reifen Mann und Pfeifenraucher, geschweige denn zu einer der eleganten, gerade geschnittenen Anzughosen, wie er sie selbst gern trug. Zwar wirkte Bruno an seiner Seite apathisch wie nichts Gutes, aber seinen schlechten Geschmack trübte diese Mattheit durchaus nicht.
    Erschöpft wie nach zehn Stunden Feldarbeit standen sie endlich wieder auf der Straße. Brunos neue Hose, die er gleich anbehalten hatte, leuchtete in der Sonne. Wundersamerweise hatte er aufgehört sein rechtes Bein leicht nachzuziehen, seit er sie trug, so als besitze sie geheime Heilkräfte. Kai winkte ein Taxi heran und dirigierte den Fahrer anschließend nach Kreuzberg in seinen alten Kiez, wo sie auf der Terrasse eines österreichischen Restaurants Leberknödelsuppe bestellten und Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat. Kai trank kalten Riesling dazu und Bruno kaltes Bier, und im Laufe der nächsten zwei Stunden kehrten allmählich ihre Lebensgeister zurück.
    Gegen 17 Uhr beschlossen sie aufzubrechen, zu Fuß diesmal. Ein kleiner Verdauungsspaziergang konnte nicht schaden, zumal Bruno behauptete, überhaupt keine Schmerzen mehr im Bein zu spüren. Die Bio-Hose besaß also tatsächlich Wunderkräfte.
    In Kais Wohnung wollten sie sich erst ein wenig ausruhen, vielleicht ein kleines Nickerchen machen, denn Bier und Wein hatten ihnen die Lider
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher