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Morag und der magische Kristall

Titel: Morag und der magische Kristall
Autoren: Dawn A. Nelson
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verloren gegangen, sagte sie sich, und eines Tages würden sie sich wiederfinden, davon war Morag überzeugt.
    Ihr Magen knurrte und erinnerte sie daran, dass sie seit dem Fünfuhrtee gestern nichts mehr gegessen hatte. Sie blickte auf die Uhr über der Spüle. Es war fast sieben. Sie hatte gerade noch Zeit, ein Marmeladenbrot zu essen, bevor sie sich an ihre täglichen Pflichten machen musste. In der Spüle stapelte sich das schmutzige Geschirr, die Töpfe und Pfannen waren verkrustet von den angebrannten Überresten des gestrigen Abendessens. Es würde eine Ewigkeit dauern, das alles sauber zu bekommen. Außerdem musste sie das Frühstück für Jermy und Moira vorbereiten. Morag seufzte.
    Plötzlich ließ eine fauchende Stimme sie auffahren.
    »Was gibt es zu essen, du faules Balg?«
    Morag zuckte zusammen und fuhr herum. Moira stand in ihrer ganzen verschlafenen Pracht leicht taumelnd in der Tür. Moiras nur am Ansatz aschgraues, sonst flammend rotes Haar war so zerzaust, dass es aussah wie ein verlassenes Vogelnest. Mehr wie ein brennendes verlassenes Vogelnest, dachte Morag und lächelte vor sich hin. Hier und da baumelten Lockenwickler wie Korken an einzelnen dunkelroten Strähnen. »Arrgh! Was ist das?«, kreischte Moira plötzlich und riss mit ihren dicklichen Fingern an ihrem Haar. Es war kein Lockenwickler – es war eine kleine, in Folie gepackte Schokoladenrolle, die sie versehentlich zweckentfremdet hatte. Moira zog ihre schlecht gezupften Augenbrauen hoch und die dicke Schicht ihres weißen Make-ups bekam Risse. Ihre beiden Augenbrauen waren heute beinahe gleichmäßig, dachte Morag, aber sie sollte sie sich nicht immer mit einem Filzstift und einer Tasse als Schablone aufmalen.
    »Ich nehme an, ich werde dies essen müssen, bis du endlich etwas in der Pfanne hast!«, sagte sie und wedelte mit der Schokoladenrolle vor Morags Nase herum.
    Moira trug unter ihrem zerlumpten weißen Nachthemd, das an einigen Stellen angesengt war, die Kleidung vom Vorabend. Ein mit grellgrünen, braunen und schwarzen Spiralen gemustertes Kleid und eine Kette, die aussah wie eine grinsende Reihe Hundezähne. Sie hob ihre glimmende Zigarre an die Lippen und blies den scharf riechenden Rauch durch die Nase aus. Morag begann zu husten und wedelte den Rauch mit den Händen weg.
    »Nun?«, hickste Moira, von einem Schluckauf geschüttelt. Sie war erst um vier Uhr am Morgen nach Hause gekommen. Zumindest hatte Morags elektrischer Wecker diese Zeit angezeigt, als sie aufgewacht war, nachdem die beiden durch die Haustür gepoltert waren.
    »Entschuldige, Moira«, sagte Morag und sprang auf. »Ich habe nicht gedacht, dass du schon so früh frühstücken willst. Ich dachte, du würdest vielleicht ausschlafen wollen.« Sie ging zu dem Schrank mit den Lebensmitteln hinüber und suchte darin nach dem Bratfett.
    »Nun, du bist nicht hier, um zu denken. Überlass das mir! Und da wir gerade davon sprechen, ich denke, du solltest mich Mum nennen«, sagte Moira gedehnt. Dann nahm sie einen Zug von ihrer Zigarre. »Ist das zu viel verlangt? Mum. Ist es so schwer, das auszusprechen?« Sie stolperte zu dem kleinen Holztisch hinüber und ließ sich unbeholfen auf einen Stuhl fallen. »Hm? Ist es das?«
    Morag blickte zu ihr auf, zu dieser grausamen, faulen Frau. Sie war nicht ihre Mutter und würde es niemals sein. Niemand verdiente es, Moira als Mutter zu haben. Morag wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ihre richtige Mutter kam und sie holte. Und wenn sie ihr erzählte, wie schlecht sie behandelt worden war, würden Jermy und Moira ernsthafte Schwierigkeiten bekommen. Vielleicht würden sie sogar ins Gefängnis müssen. Dies war ein Gedanke, der Morag Trost spendete und ihr das Leben erträglicher machte, aber sie wagte es nicht, sich etwas anmerken zu lassen.
    »Nein … Moir… ich meine, Mum «, sagte sie unterwürfig. Sie war zu klug, um Moira gegen sich aufzubringen; deren Laune würde heute Morgen noch schlechter sein als sonst, nachdem sie gestern Nacht erst so spät heimgekommen war und nur wenig geschlafen hatte. Morag holte den kalten, feuchten Schinken, fettige graue Würste und einige mit Federn bedeckte Eier aus dem Kühlschrank. Aber als sie den Geschirrschrank öffnete, verlor sie allen Mut. Es war kein sauberer Teller mehr da. Sie blickte zur Spüle hinüber und dann zu Moira, die sie angespannt beobachtete. Jähes Begreifen spiegelte sich auf Moiras Gesicht wider. Sie legte die dick gepuderte Stirn in Falten, ihre
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