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MoR 04 - Caesars Frauen

Titel: MoR 04 - Caesars Frauen
Autoren: Colleen McCullough
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wie gelähmt, dagesessen. Sicher, sie hatte schon erstaunliche Dinge von ihm gehört, wie jede römische Aristokratin. Die meisten von ihnen hatten versucht, ihn unter einem Vorwand kennenzulernen, aber Servilia gehörte nicht zu dieser Sorte. Sie hatte ihn von vornherein so ähnlich eingeschätzt wie Memmius und Catilina; das waren Männer, die Frauen mit einem einzigen Lächeln ins Bett locken konnten, und die das weidlich ausnutzten. Doch ein Blick auf Caesar, und sie hatte gewußt — das war weder ein Memmius noch ein Catilina. Sicher, auch er vermochte eine Frau mit einem Lächeln zu besiegen, und bestimmt zog er seinen Vorteil daraus. Aber da war noch mehr: etwas Unnahbares, Reserviertes, Unerreichbares. Jetzt verstand sie, warum manche Frauen, die er mit einer kurzen Affäre beglückt hatte, anschließend in Verzweiflung dahingekümmert waren. Er hatte ihnen nur das gegeben, was ihm nichts bedeutete, sich selbst jedoch hatte er ihnen nicht gegeben.
    Servilia, mit ihrer Fähigkeit zu kühler Analyse, war bereits bei ihrer eigenen Reaktion auf ihn. Warum gerade er, wo es noch nie zuvor einen Mann gegeben hatte, der ihr mehr bedeutet hätte als Sicherheit und gesellschaftlicher Status? Gut, sie hatte eine Schwäche für blonde Männer. Brutus war damals für sie ausgesucht worden, erst am Hochzeitstag hatte sie ihn kennengelernt. Daß er ein ausgesprochen dunkler Typ war, hatte sie ebenso enttäuscht wie alles andere an ihm. Silanus, einen blonden und sehr gut aussehenden Mann, hatte sie sich selbst gewählt. Vom optischen Eindruck her hatte er sie befriedigt, aber in jeder anderen Hinsicht war auch er eine große Enttäuschung gewesen. Kein starker Mann, weder was Gesundheit noch Intellekt oder Charakter betraf. Kein Wunder, daß er mit ihr keine Söhne gezeugt hatte. Servilia war fest davon überzeugt, daß das Geschlecht ihres Nachwuchses ausschließlich in ihrer Hand lag, und schon in der ersten Nacht in Silanus’ Armen hatte sie beschlossen, daß Brutus ihr einziger Sohn bleiben sollte. Auf diese Weise würde das ohnehin schon ansehnliche Vermögen durch Silanus’ beträchtlichen Besitz noch vermehrt.
    Was für ein Jammer, daß es nicht in ihrer Macht lag, Brutus auch noch ein drittes und weitaus größeres Eigentum zu sichern. Jetzt war Caesar vergessen, denn ihr Sohn hatte sich dazwischengeschoben; Servilias sehnsüchtige Gedanken drehten sich um die fünfzehntausend Talente Gold, die ihr Großvater Caepio, der vor siebenunddreißig Jahren Konsul gewesen war, von einem Konvoi in Gallia Narbonensis gestohlen hatte. Mehr Gold, als die Schatzkammern Roms enthielten, war damals in Servilius Caepios Besitz übergegangen, ein Vermögen, das heute natürlich nicht mehr in Form von Goldbarren existierte. Es war längst in Besitztümer der vielfältigsten Art konvertiert worden: Manufakturen im italischen Gallien, riesige Getreideflächen in Sizilien und der Provinz Africa, Mietshäuser überall auf der italischen Halbinsel und stille Teilhaberschaften an geschäftlichen Unternehmungen, die sich nicht mit dem Rang eines Senators hatten vereinbaren lassen. Nach dem Tode von Caepio dem Konsul war das alles an Servilias Vater übergegangen, und als er während des Italischen Krieges getötet worden war, hatte es ihr Bruder bekommen, der dritte Mann in ihrem Leben, der den Namen Quintus Servilius Caepio trug. Ja, ihr Bruder Caepio hatte alles bekommen! Ihr Onkel Drusus hatte dafür gesorgt, daß er es bekam, obwohl Onkel Drusus die Wahrheit kannte. Und was war das für eine Wahrheit? Daß Servilias Bruder Caepio eigentlich nur ihr Halbbruder war: In Wirklichkeit war er das erste Kind, das ihre Mutter diesem Emporkömmling Cato Salonianus geboren hatte, obwohl sie damals noch mit Servilias Vater verheiratet war. Und der hatte das K\1ckucksei im Nest der Servilii Caepio gefunden, ein riesiges Kuckucksei mit langem Hals und roten Haaren und einer Nase, an der ganz Rom erkennen konnte, wessen Kind er war. Jetzt, da Caepio dreißig Jahre alt war, wußte jedermann in Rom, woher er stammte. Zum Totlachen! Und was für eine Gerechtigkeit! Ein Kuckucksei im Nest der Servilii Caepio hatte das Geld von Tolosa schließlich bekommen.
    Brutus zuckte, aus seinen besorgten Gedanken gerissen, zusammen, denn seine Mutter hatte mit den Zähnen geknirscht. Ein schreckliches Geräusch, das alle, die es hörten, erbleichen ließ und zu Fluchtgedanken trieb. Aber Brutus konnte nicht fliehen. Ihm blieb nur die Hoffnung, daß nicht er der
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