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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Autoren: Colleen McCullough
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die Eroberung unserer Provinz Asia sicher kein Witz — und deshalb müssen wir ihn ernst nehmen.«
    »Ich glaube, es kann keinen Zweifel geben, daß Mithridates ein Auge auf unsere Provinz geworfen hat«, sagte Marius.
    »Aber er ist ein Orientale«, warf Sulla ein. »Alle orientalischen Könige fürchten sich vor Rom — sogar Jugurtha fürchtete sich vor Rom. Erinnert euch nur an die Beleidigungen und Demütigungen, die er eingesteckt hat, bevor er endlich gegen uns in den Krieg zog. Wir mußten ihn geradezu zum Krieg zwingen.«
    »Aber ich glaube, Jugurtha wollte von Anfang an Krieg gegen uns führen«, sagte Rutilius Rufus.
    Sulla runzelte die Stirn. »Da bin ich anderer Meinung. Er träumte vielleicht davon, Krieg gegen uns zu führen, glaubte aber, daß es ein Traum bleiben würde. Wir haben ihm den Krieg aufgezwungen, als Aulus Albinus auf der Suche nach Kriegsbeute in Numidien einfiel. So fangen unsere Kriege übrigens fast immer an! Ein nach Gold gierender Feldherr, dem man keine Kinderparade anvertrauen sollte, darf römische Legionen führen, und schon begibt er sich auf die Suche nach Beute — nicht im Interesse Roms, sondern im Interesse seines eigenen Geldbeutels. Carbo und die Germanen, Caepio und die Germanen, Silanus und die Germanen — die Liste ließe sich endlos fortsetzen.«
    »Du schweifst vom Thema ab, Lucius Cornelius«, sagte Marius leise.
    »Entschuldigung, du hast recht.« Sulla grinste seinen alten Befehlshaber ohne jede Verlegenheit freundlich an. »Auf jeden Fall bin ich der Meinung, daß die Situation im Osten sehr viel Ähnlichkeit mit der Situation hat, die in Afrika herrschte, bevor Jugurtha gegen uns in den Krieg zog. Wir wissen, daß Bithynien und Pontus alte Rivalen sind, und wir wissen auch, daß sowohl König Nikomedes als auch König Mithridates Expansionsgelüste haben, zumindest innerhalb Anatoliens. Denn in Anatolien gibt es zwei sagenhaft reiche Länder, die den beiden den Mund wässrig machen: Kappadokien und unsere Provinz Asia. Wer Kappadokien hat, der hat leichten Zugriff auf Kilikien und besitzt fruchtbares Ackerland. Wer unsere Provinz Asia mit ihrer Küste hat, dem liegt das ganze Ägäische Meer mit einem halben Hundert ausgezeichneter Häfen und einem reichen Hinterland zu Füßen. Ein König, den nicht nach beiden Ländern gelüstete, wäre kein Mensch.«
    »Nun, wegen Nikomedes von Bithynien mache ich mir keine Sorgen«, unterbrach Marius. »Er ist vollständig an Rom gekettet und weiß das. Ich glaube auch nicht, daß unsere Provinz Asia in Gefahr ist—zumindestjetzt noch nicht. Es geht um Kappadokien.«
    Sulla nickte. »So ist es. Die Provinz Asia ist römisch. Und ich glaube nicht, daß König Mithridates sich in einer Hinsicht sehr vom Rest seiner orientalischen Kollegen unterscheidet: Seine Furcht vor Rom ist wahrscheinlich immer noch so stark, daß er es nicht wagen wird, unsere Provinz zu überfallen — egal, in welchem verwahrlosten Zustand sich diese befindet. Aber Kappadokien ist nicht römisch. Es liegt zwar in unserem Einflußbereich, aber mir scheint, Nikomedes und der junge Mithridates sind beide zu dem Schluß gekommen, Kappadokien sei so abgelegen und unwichtig, daß Rom keinen Krieg darum führen würde. Andererseits benehmen sie sich wie Diebe, die sich das Land heimlich aneignen wollen. Sie verstecken ihre Motive hinter Marionetten und Verwandten.«
    Von Marius kam ein Grunzen. »Heimlich würde ich es nicht gerade nennen, wenn der alte König Nikomedes die Regentin von Kappadokien heiratet!«
    »Nein, aber die neue Situation hielt ja nicht lange an. König Mithridates war so erbost, daß er seine eigene Schwester ermordete! Und im Handumdrehen hatte er ihren Sohn wieder auf den kappadokischen Thron gesetzt.«
    »Leider ist Nikomedes unser offizieller Freund und Verbündeter und nicht Mithridates«, sagte Marius. »Schade, daß ich nicht in Rom war, als das entschieden wurde.«
    »Na, hör mal!« rief Rutilius Rufus empört. »Die Könige von Bithynien dürfen sich seit über fünfzig Jahren offiziell Freunde und Verbündete nennen! Bei unserem letzten Krieg gegen Karthago war auch der König von Pontus ein offizieller Freund und Verbündeter. Aber der Vater des jetzigen Mithridates machte jede Freundschaft mit Rom unmöglich, als er Manius Aquillius’ Vater Phrygien abkaufte. Seit damals unterhält Rom keine Beziehungen mehr mit Pontus. Außerdem ist es unmöglich, zwei Königen den Status eines Freundes und Verbündeten zu verleihen,
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