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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Autoren: Colleen McCullough
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Zeit viel öfter vor als früher, und Marius schämte sich deswegen. Statt jetzt zu tun, was er am liebsten getan hätte, nämlich sich auf die linke Seite zu drehen und einzuschlafen, blieb er auf dem Rücken liegen, legte den linken Arm um seine Frau und stellte sich auf ein Gespräch über Frauen und ihre häuslichen Sorgen ein. »Soso«, sagte er.
    »Kannst du nicht dafür sorgen, daß Gaius Julius nach Hause kommt? Aurelia verwandelt sich langsam in eine vertrocknete alte Vestalin, sie wird ganz — wie soll ich sagen — säuerlich. Boshaft. Saftlos! Ja, das ist das richtige Wort: saftlos. Und das Kind verschleißt sie.«
    »Welches Kind?« sagte Marius schläfrig.
    »Ihr zweiundzwanzig Monate alter Sohn, der kleine Caesar. Ein erstaunliches Kind, Gaius Marius! Ich weiß, daß solche Kinder gelegentlich geboren werden, aber ich selbst habe nie eines gekannt und nicht einmal in unserer Bekanntschaft von einem gehört. Wir Mütter sind ja froh, wenn unsere Söhne wissen, was dignitas und auctoritas bedeuten, nachdem sie mit ihren Vätern im Alter von sieben zum ersten Mal auf dem Forum waren. Aber dieser Winzling weiß es jetzt schon, obwohl er seinen Vater noch nie gesehen hat! Glaube mir, der kleine Caesar ist ein wirklich erstaunliches Kind.«
    Julia kam in Fahrt. Noch etwas fiel ihr ein, und sie begann unruhig zu zappeln. »Gestern habe ich übrigens mit Mucia gesprochen, der Frau von Crassus Orator, und sie sagte mir, ihr Mann habe ihr stolz erzählt, daß einer seiner Klienten einen Sohn wie den jungen Caesar habe.« Sie knuffte Marius in die Seite. »Du kennst die Familie sicher, Gaius Marius, sie stammt nämlich aus Arpinum.«
    Bis jetzt hatte er nicht richtig zugehört, aber das Zappeln und der Rippenstoß bewirkten, daß er wieder einigermaßen aufwachte. »Arpinum? Wer?« murmelte er. Arpinum war seine Heimat, dort hatten seine Vorfahren gelebt.
    »Marcus Tullius Cicero. Der Klient von Crassus Orator und sein Sohn tragen denselben Namen.«
    »Die Familie kenne ich, leider. Eine schöne Bande! Streitsüchtiges Pack. Sie haben uns vor ungefähr hundert Jahren ein Stück Land gestohlen und sind vor Gericht auch noch durchgekommen damit. Seit damals gibt es eigentlich keinen Kontakt mehr zwischen uns.« Seine Augen schlossen sich wieder.
    »Aha.« Julia kuschelte sich enger an ihn. »Jedenfalls ist der Junge jetzt acht und so begabt, daß er auf dem Forum in die Schule gehen wird. Crassus Orator meint, er wird einiges Aufsehen erregen. Ich denke, wenn der kleine Caesar acht ist, wird er auch Aufsehen erregen.«
    »Uaah!« Marius gähnte laut.
    Noch einmal setzte Julia ihren Ellbogen ein. »Du schläfst ja schon, Gaius Marius! Wach auf!«
    Seine Augen klappten wieder auf, und aus seinem Rachen drang ein polterndes Geräusch. »Willst du mich noch einmal ums Kapitol scheuchen?«
    Kichernd schmiegte sie sich an ihn. »Auf jeden Fall, diesen kleinen Cicero habe ich noch nicht kennengelernt, aber meinen Neffen, den kleinen Gaius Julius Caesar, kenne ich sehr gut, und ich sage dir eines, er ist nicht — normal. Das sagt man zwar meist nur bei Menschen, denen geistig etwas fehlt, aber ich finde, man kann auch das andere Extrem damit bezeichnen.«
    Marius seufzte erschöpft. »Je älter du wirst, Julia, desto mehr redest du.«
    Julia überhörte seine Bemerkung. »Der kleine Caesar ist noch keine zwei Jahre alt, aber manchmal wirkt er wie hundert! Große Worte und richtig formulierte Sätze — und er weiß sogar, was die großen Worte bedeuten!«
    Plötzlich war Marius hellwach, und seine Müdigkeit war verflogen. Er setzte sich auf und sah seine Frau an. Auf ihrem lächelnden Gesicht lag das warme Licht der kleinen Nachtlampe. Ihr Neffe! Ihr Neffe namens Gaius! Was hatte die Syrerin Martha ihm prophezeit, als er dem alten Weib zum ersten Mal in Gaudas Palast in Karthago begegnet war? Sie hatte gesagt, er werde der Erste Mann von Rom und sieben Mal Konsul sein. Aber, hatte sie hinzugefügt, der größte aller Römer werde er nicht sein. Das werde ein Neffe seiner Frau namens Gaius sein! Damals hatte er sich gesagt: nur über meine Leiche. Niemand wird mir den Rang ablaufen. Und jetzt gab es dieses Kind, eine lebendige Tatsache.
    Er legte sich wieder hin. Seine Müdigkeit war in Gliederschmerzen übergegangen. Er hatte soviel Zeit, soviel Kraft, soviel Leidenschaft in den Kampf gesteckt, der Erste Mann von Rom zu werden, daß er jetzt nicht tatenlos abwarten konnte, bis der Glanz seines Namens durch einen
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